Theoretisch haben wir alle in der Schule gelernt, dass es sexuell übertragbare Krankheiten gibt, welche das sind und wie man sich schützen kann.
Ja. Theoretisch. Mehrheitlich waren diese Unterrichts-Situationen doch eher unangenehm, man war froh, wenn das Thema durch war und dachte sich:
1.) Wird mir schon nicht passieren ich bin ja informiert
2.) Wenn ich darauf achte Kondome zu nutzen, geht es schon gut
3.) Das betrifft ja nur Leute, die rumhuren
Zu 1.:
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat 2016 die " Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen
“ vorgestellt. Im Rahmen dieser Strategie wurde eine Umfrage zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD)
unter knapp 5.000 Teilnehmern zwischen 18 und 75 Jahren durchgeführt. Ein Teil dieser Studie beschäftigt sich mit der Bekanntheit verschiedener sexuell übertragbaren Infektionen.
HIV/AIDS war mit Abstand die bekannteste STI (71 Prozent). Danach folgt mit knapp 40 Prozent Gonorrhö (auch Tripper genannt) und mit gut 30 Prozent Syphilis. Etwa jedem zehnten Deutschen sind Chlamydien, Genitalherpes und Hepatitis B als Geschlechtskrankheiten geläufig. Seltener wurden Genitalwarzen, Filzläuse und Trichomonaden genannt.
Vergleichen wir diese Ergebnisse mit den häufigsten Geschlechtskrankheiten Deutschlands:
Chlamydien
Trichomonas vaginalis
Gonokokken /Gonorrhö (Tripper)
Sowohl Chalmydien, als auch die Trichomonaden sind nur mindestens jedem zehnten Deutschen geläufig.
Das ist ein Missverhältnis zwischen Häufigkeit und Bekanntheit.
Zu 2.:
Kondome schützen sicherlich vor vielen sexuell übertragbaren Krankheiten. Allerdings können die Erreger auch über den Mund und die Hände übertragen werden, wenn diese Kontakt mit Genitalien haben.
Der Blowjob gehört zu den zweit-beliebtesten Sexualpraktiken, wird aber nur in sehr seltenen Fällen mit einem Kondom praktiziert.
Dass es für Oralsex an der Frau auch "Kondome" gibt, sogenannte Lecktücher
(alternativ funktionieren auch aufgeschnittene Gummihandschuhe/ Frischhaltefolie) ist nur wenigen bekannt.
Sich alleinig auf das Verwenden von Kondomen bei penetrativem Sex zu verlassen ist also keine gute Idee.
Zu 3.:
Das ist eine extrem Vorurteils-Behaftete Vorstellung. Geschlechtskrankheiten haben nichts damit zu tun "rumzuhuren" und dieser Begriff assoziiert, dass Huren (SexarbeiterINNEN, Prostituierte) grundsätzlich "schmutzig" und mit einem Risiko sich zu infizieren versehen wären. Das ist ein Stigma. Und es entspricht keiner Realität.
Jeder Mensch, der Sex hat, kann sich auch mit einer sexuell übertragbaren Krankheit infizieren. Punkt. That's it.
Genauso, wie jeder Mensch eine Magen-Darm-Grippe, oder eine Erkältung bekommen kann. Viren/Bakterien machen uns krank. Und in der Regel ist das ganze behandelbar. Wir sollten also dringend normalisieren, dass sexuell übertragbare Krankheiten weder selten, noch schmutzig, noch Zeichen von "Rumhurerei" sind.
Besonders Menschen, die in offenen Beziehungen leben, oder polyamor, oder gerne auf hedonistische Partys gehen sollten sich intensiv mit dem Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten auseinandersetzen.
Neben der persönlichen Reflektion:
- Wie schätze ich mein Risiko ein?
- Wie kann/möchte ich mich schützen?
- Worauf lege ich bei verschiedenen Sexpraktiken wert? (Bestimmte Praktiken nur mit festen Partnern, Barriere)
Ist auch das Gespräch mit Partnern und der Abgleich mit deren Risikoprofilen wichtig.
Es gilt im Zweifel das am wenigsten risikoaffine Profil als Leitlinie in Partnerschaften.
Manche STI werden erst Wochen oder Monate nach Ansteckung per Test nachweisbar. Die Strategie mit einem tagesaktuellen negativen STI-Test einen Freifahrtschein für Barriere-freien Sex zu haben ist also nicht ratsam.
Es empfiehlt sich auch ein praxisnaher Umgang mit STI. Wenn du und deine PartnerIN zum Beispiel Sex mit weiteren Menschen plant (der "Dreier" gehört immer noch zu den beliebtesten Sex-Fantasien) solltet ihr auch darüber sprechen ob (bei 1 Mann, 2 Frauen) der Mann z.B. das Kondom wechselt zwischen den Frauen, ob es Oralsex ohne Kondom/Lecktuch gibt, on Hände, die an Genitalien waren in den Mund gesteckt werden sollen, usw..
Menschen mit vielen und/oder wechselnden Sexualpartnern und/oder die gerne auf hedonistischen Parties sind, sollten sich regelmäßig auf STI testen lassen. Wenn du Sex mit wechselnden Partner:innen hast, solltest du dich routinemäßig mindestens einmal jährlich auf STIs checken lassen. Bei mehr als zehn Sexpartner:innen pro Jahr möglichst zweimal jährlich, auf STIs checken lassen!
Aber wo und wie?
Die Test beim Checkpoint erfordern eine Kostenbeteiligung durch dich, einen HIV Test kannst du beim Gesundheitsamt kostenlos bekommen.
Es gibt Selbsttest-Kits für den Heimgebrauch, allerdings sind diese nicht günstiger als der Test in einer offiziellen Teststelle, dafür aber Fehler-anfälliger
, denn du als (i.d.R.) nicht-medizinisch geschultes Personal kannst Fehler bei der Probeentnahme machen und hast zudem keinen Einfluss auf die Transportwege ins Labor.
Grundsätzlich kannst du auch mit deinem Hausarzt oder Gynäkologen darüber sprechen.
Chlamydien-Tests werden im Rahmen der gynäkologischen Vorsorge nur bis zum 25.Lebensjahr von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt
, danach müssen Frauen zwischen 30 und 100EUR für den Test zahlen (variiert stark von Praxis zu Praxis). Es gibt aber auch Selbsttest in der Apotheke zu kaufen (ab12EUR) die mit einer 80%igen Genauigkeit auch schon einen Überblick geben können. Männer können sich beim Hausarzt oder Urologen auf Chlamydien testen lassen (Abstrich aus der Harnröhre).
Sobald akute Symptome auftreten (Schmerzen, Jucken, Brennen, Pusteln, veränderter Ausfluss usw.) solltest du immer einen Arzt aufsuchen.
Nachfolgend Anlaufstellen für Köln / Checkpoint Charlie und das Gesundheitsamt:
Solltest du den Verdacht oder die Bestätigung haben, an einer STI erkrankt zu sein, sprich unbedingt mit deinen PartnerN!
Nur wenn du sie auch informierst und sie sich ggf. mibehandeln, kann die Infektionskette unterbrochen werden und eine verantwortungsvolle gesunde Sexualität gelebt werden.
Auch Vorbeugen ist ein wichtiger Punkt, um das Risiko nach einer Infektion zu reduzieren, sich erneut zu infizieren. Dazu gehört es zu versuchen zu rekonstruieren, wie die Infektion zustande gekommen sein könnte und sein eigenes Risikoverhalten in Bezug auf Sex nochmal zu reflektieren. Nochmal: Jeder Mensch, der Sex hat, kann auch eine STI bekommen. Es wird sich also niemals nie vollständig vermeiden lassen, auch mal krank zu werden. Dennoch kann man eine bestätigte STI zum Anlass nehmen sich und sein Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf Sex nochmal zu hinterfragen.
Gegen HPV und Hepatitis A und B kann man sich impfen lassen.
Menschen, die besonders gefährdet sind (*), sich mit HIV zu infizieren können eine medikamentöse Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) einnehmen.
Die beiden Wirkstoffe im PrEP-Medikament (Tenofovir, Emtricitabin) gelangen unter anderem in die Zellen der Schleimhäute (zum Beispiel im Darm oder in der Vagina), die beim Sex mit Körperflüssigkeiten oder Schleimhäuten des Partners oder der Partnerin in Kontakt kommen.
Wenn HIV dann in diese Zellen eindringt, können sich die Viren nicht vermehren. Eine HIV-Infektion wird verhindert.
Das Medikament gibt es seit 2019 per ärztlichem Rezept als Kassenleistung.
Die Deutsch-Österreichischen PrEP-Leitlinien empfehlen die PrEP für Menschen ab 16 Jahren mit erhöhtem („substanziellem“) HIV-Risiko . Dazu gehören zum Beispiel
Eine Übersicht zu den verbreiteten STI nachfolgend bebildert (Quelle: Fernarzt):