Mann? Frau? Non-Binär? Hetero? Homo? Trans? Inter? Pan? Sapio? Asexuell? Allosexuell?
Begriffe für Geschlechterzuordnungen, oder auch die bewusste Ablehnung einer solchen Zuordnung, sowie für sexuelle Orientierungen finden sich mittlerweile viele.
Diese Vielfalt ist wichtig, denn Geschlecht, genau wie Sexualität funktionieren nicht nach dem Schema entweder-oder, schwarz oder weiß. Es ist gibt mindestens "50 shades of grey" dazwischen und "dazwischen" bedeutet hier nicht, dass es nichts halbes oder ganzes ist.
Eine hinzugewonnene Vielfalt an Zuordnungsmöglichkeiten ( nicht -pflichten!) kann einerseits identitätsfördernd sein und Menschen, die sich im klassisch sozialisierten System zwischen Mann und Frau nicht gesehen fühlen, helfen Worte und Beschreibungen für ihr Dasein und Fühlen zu finden.
Gleichzeitig führt diese Vielfalt aber auch häufig zu Verwirrungen. Eine zu große Komplexität führt oft zu einer Abwehrreaktion bei Menschen, die aufgrund der Nicht-Erfassbarkeit der Vielzahl an möglichen Kategorien dann ablehnend reagieren um sich vor Überforderung zu schützen. Um die Komplexität zu reduzieren, werden dann Pauschalisierungen vorgenommen.
In diesem Artikel wird der Versuch unternommen verschiedene Zuordnungsmöglichkeiten und damit einhergehende sexuelle Herausforderungen, Bedürfnisse und Möglichkeiten klarer zu beleuchten. Dabei erhebt der Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit, oder alleinige Wahrheit, sondern wünscht sich den offenen Diskurs und die Weiterentwicklung der Inhalte. Die hier dargestellten Inhalte sind eine Mischung aus Sach-Informationen (Studien/ Definitionen) und Erfahrungen von Menschen, mit denen ich mich im Zuge der Recherche für diesen Artikel, sowie im Zuge meiner Arbeit in der Sexualberatung auseinandergesetzt habe.
Wir versuchen zunächst ein paar Begrifflichkeiten zu klären, dabei sei nochmals ausdrücklich betont, dass eine Zuordnung in eine dieser Kategorien immer optional ist und keine Verpflichtung. Es gibt keinerlei Zuordnungzwang oder Kategorisierungsnotwendigkeit. Alle Erläuterungen sind wertfrei und nicht-hierarchisch zu verstehen.
Wer bin ich? Mann, Frau, beides, gar nichts?
Gender beschreibt auf wissenschaftlicher Ebene das sozial konstruierte Geschlecht
. Es geht also nicht darum, was bei der Geburt als biologisches Geschlecht festgelegt worden ist, sondern darum, welche persönlichen Vorstellungen ein Mensch von seiner Geschlechtsidentität hat und von der eigenen Geschlechterrolle.
Cisgender
sind Menschen, deren angeborenes und sozial konstruiertes Geschlecht kohärent miteinander sind. Menschen die bei der Geburt als z.B. Frau bezeichnet wurden und sich auch als Frau fühlen und identifizieren können als Cisgender bezeichnet werden. Die Kategorien sind hier Mann und Frau.
Pangender
orientierte Menschen, identifizieren sich mit allen Geschlechtern, beziehungsweise drücken aus, aus vielen unterschiedlichen Geschlechtern zusammengesetzt zu sein.
Transgender
sind Menschen, deren bei der Geburt bestimmtes Geschlecht und gefühltes Geschlecht nicht miteinander kohärent sind, also z.B. ein Mensch dessen Geschlecht bei der Geburt als männlich bestimmt wurde, sich aber weiblich fühlt. Dabei kann es Transfrauen, Transmänner und Transandrogyne Menschen geben.
Licht im Dunkeln?
Geschlechteridentifikation = Sexuelle Identifikation?
Was ist denn typisch weiblicher oder typisch männlicher Sex?
Sexualität und Geschlecht sind in unseren Köpfen eng miteinander verknüpft und wir verfügen über eine Reihe anerzogener Vorstellungen wie Sexualität und Geschlecht zusammenhängen. So wird beispielsweise Männlichkeit mit Erektion gleichgesetzt, oftmals auch mit penetrativem Sex. Männliche Sexualität wird eher mit Adjektiven wie "rau, brutal, animalisch, hart" versehen, wohingegen weibliche Sexualität eher als "weich, sinnlich, hingebungsvoll" aufgefasst wird. Ich betone, dass diese Adjektive eine allgemeine gesellschaftliche Auffassung und nicht meine persönliche wiedergeben.
Menschen, die sich als Neutrois und non-binär bezeichnen, können mit diesen geschlechtspezifischen Zuordnungen von Sexualität in der Regel nichts anfangen. Und Menschen, die sich tiefergehend mit Sexualität auseinandersetzen wissen, dass sexuelle Identifikationen und Spielweisen so facettenreich sind, dass es sich nicht lohnt sie in typisch weibliche und männliche Kategorien zu stereotypisieren.
Die Geschlechteridentität und sexuelle Identität müssen nicht miteinander übereinstimmen. Ein Mensch kann sich als Frau identifizieren, homosexuell orientiert sein und in der Sexualidentität eher ein männliches Empfinden haben und sich beispielsweise eher mit den oben genannten Attributen für männliche Sexualität identifizieren, oder auch bestimmte Praktiken lieber mit dem männlichen Begriff betiteln wollen (z.B. Blowjob statt Lecken).
Genauso kann sich ein Mann in der Geschlechteridentität als Mann empfinden, in der sexuellen Identität aber ein sehr weibliche Vorstellung haben und eher hingebungsvoll, sinnlich, sanft veranlagt sein, oder auch selbst penetriert werden wollen, statt zu penetrieren (und das muss nicht automatisch mit Homosexualität einhergehen).
Ziemlich platt formuliert: Männer die sich gerne vögeln lassen, müssen nicht schwul sein, Männer, die sich gerne in Frauenkleidung vögeln lassen, müssen nicht trans* und nicht schwul sein. Frauen die sich Strap-Ons anziehen und jemanden vögeln müssen nicht trans* sein, und so weiter.
Sexualität bei Identifikationsproblemen mit dem eigenen Körper
Hiervon können Menschen betroffen sein, deren Geschlechteridentität und Sexualidentität nicht die gleichen sind (als Frau definiertes Geschlecht, männliche Sexualidentifikation) oder aber vor allem Menschen, die transgender sind.
Auch gilt, die Betonung liegt auf " können
betroffen sein", nicht alle Menschen, die transgender sind, müssen ein Problem mit dem Ausleben ihrer Sexualität haben (vor, während oder nach angleichender Operation).
Beispiele:
Ich bin Cisgender Frau, fühle mich sexuell aber eher zu einer als männlich attestierten Sexualität hingezogen. Ich bin im Reinen mit meinem Körper, möchte mich aber nicht an meinen weiblichen Genitalien berühren lassen (oder nur in sehr bestimmten Kontexten) und möchte für die Umsetzung meiner sexuellen Fantasien auf einen Penis zurückgreifen, oder für zeitlich begrenzten Rahmen über einen Penis verfügen.
Ich bin Transfrau, mein biologisch attestiertes Geschlecht ist männlich, ich befinde mich aber im Prozess der Angleichung an meine eigentliche Geschlechtsidentität und lebe als Frau. Eine geschlechtsangleichende Operation habe ich noch nicht durchführen lassen. Da ich mich komplett als Frau wahrnehme und als Frau fühle, ekle ich mich vor meinem Penis und möchte diesen weder anfassen noch anfassen lassen. Dadurch wird sexuelle Stimulation für mich schwierig.
Es kann also aus sehr unterschiedlichen Gründen sein, dass ich mein biologisches Geschlecht nicht in meine sexuelle Praxis integrieren möchte, oder für begrenzte Zeiträume ablegen, oder ändern möchte.
Im Bereich Transgender kann ein weiterer Faktor, neben der Identifikation mit den vorhanden Geschlechtsteilen sein, dass unter einer hormonellen Therapie Veränderungen in der sexuellen Funktion auftreten können. So kann z.B. unter Gabe von weiblichen Geschlechtshormonen für MtF Menschen die Erektionsfähigkeit des Penis stark eingeschränkt oder gar nicht mehr vorhanden sein. Unter Gabe von männlichen Geschlechtshormonen für FtM Menschen kann die Klitoris bereits stark vergrößert sein.
Möglichkeiten: