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Ropebottoming - Infos für Gefesselte 

Fushicho • Okt. 23, 2020

Guter Rope Bottom Info Guide von Eru (Berlin Ropes)

The Rope Bottom Guide (Clover)

Vortrag zu RopeBottoming von Lecia in Karlsruhe 2016

Ich freue mich, dass ich heute hier sein darf und über das Thema Ropebottoming sprechen darf. Eine lange Zeit ging es bei Workshops und auf Fesseltreffen primär darum Riggern (ich spreche einfach generisch im Maskulinum) Fesseltechniken beizubringen, so als wäre das Ropemodel einfach nur passive Formmasse und als wäre es völlig belanglos zu wissen, wie man einen Körper bewegt, welche Gefahrenzonen es am Körper gibt, was man eigentlich beim Model auslöst und so als wäre es auch für das Ropemodel offenbar unwichtig etwas zu lernen, als müsste das Model nur rein passiv sein und sich hingeben. Dass es aber für Hingabe auch Vertrauen braucht und zwar sowohl in sich selbst als auch in den Partner und dass das nur durch Sicherheit und Wissen entstehen kann, blieb lange außen vor.


Es ist schön, dass hier ein Umdenken stattfindet und immer häufiger Workshops und Kurse angeboten werden, in denen es speziell darum geht Ropebottoms Wissen zu vermitteln. Und g enauso wie die Bottoms auch auf den Workshops anwesend sind, auf denen der Rigger Fesselungen lernt, so sollten die Rigger auch zu Workshops und Vorträgen gehen, bei denen es um Ropebottoming geht. Ich freue mich daher, dass ich auch einige Menschen hier sehe, von denen ich weiß, dass sie Rigger sind.


Diese halbe Stunde, die wir hier heute haben um über das Thema zu sprechen reicht natürlich nicht im entferntesten aus um alle Themenbereiche abzudecken. Ich werde daher nur ein paar Themen anreißen können und habe entschieden, die Themen anzusprechen zu denen mir am häufigsten Fragen in der Praxis gestellt werden und lade euch alle herzlich ein, euch heute hier persönlich, oder in Zukunft per Mail gerne mit Fragen an uns zu wenden.


Zunächst einmal: Jeder kann gefesselt werden. Ausnahmslos jeder! Manchmal müssen Fesselungen adaptiert werden, aber jeder Mensch egal wie groß oder klein, dick oder dünn, ob mit Handicaps oder ohne, sogar mit fehlenden Extremitäten oder Spastiken KANN gefesselt werden. Ein Rigger, der euch sagt, dass ihr zu dick, zu dünn, oder sonst was seid, hat offenbar nicht die Courage euch zu sagen, dass ihr ggf. nicht seinem persönlichen Geschmack entsprecht und erzählt ansonsten einfach nur Blödsinn.


Nerven, -schäden:

Wir beginnen mit dem wichtigsten - weil Folgenschwersten - Thema: Nerven und Nervenschäden. Wir haben alle kein eingebautes MRT in unseren Augen und das bedeutet für uns, dass niemand von uns mit Gewissheit sagen kann, wo genau einzelne Nerven lang laufen. Wir können dies nur grob anhand anatomischer Normallagen abschätzen. Jeder der euch erzählt, man könne Nerven ertasten erzählt euch Quatsch. Da wir niemals mit 100%iger Sicherheit sagen können, wo ein Nerv lang läuft und der ganze Körper von Kopf bis Fuß mit Nerven durchzogen ist, die potentiell alle beschädigt werden könnten, können wir nur so risikovermeidend wie möglich fesseln, eine 100%ige Sicherheit einen Nervenschaden zu vermeiden gibt es schlicht und ergreifend nicht. Darüber sollte sich jedes Ropemodel bewusst sein und seine individuelle Risikobereitschaft mit dem Rigger kommunizieren. Brechen wir sofort bei ersten Anzeichen von Kribbeln in den Händen ab? Brechen wir erst ab, wenn ich die Handfunktionstest nicht mehr durchführen kann? Machen wir unter Umständen einfach gar keine Oberkörperfesselungen mit klassischer Handhaltung der Arme auf dem Rücken, oder gar keine Suspensions? Das sind Fragen mit denen sich jedes Ropemodel auseinandersetzen muss und die jedes Model kommunizieren sollte, denn in einer Fesselsituation tragen immer beide zu gleichen Anteilen Verantwortung und Risiko. Ein gutes Ropemodel macht nicht aus, dass es die Füße bis an die Ohren bekommt, oder stundenlang in einer Suspension verharren kann, sondern dass es sich seiner physischen wie psychischen Grenzen bewusst ist und diese gemeinsam mit der individuellen Risikobereitschaft davor und währenddessen kommuniziert.


Die drei wichtigsten Nerven im Arm, welche für unsere Handfunktion zuständig sind, müssen ebenfalls nicht zwingend in ihrem genauen Verlauf bekannt sein, es gibt andere Grundregeln die man kennen und beachten sollte um so risikoreduzierend wie möglich zu fesseln:

  • Die Körperhaltung spielt eine entscheidende Rolle, aufrechter Rücken und zurückgenommene Schultern führen zu einer erheblich besseren Haltung und einem geringeren Risiko von Schmerzen und Nervenschäden
  • Ob low hands, high hands, oder eine klassische Boxtie-Armhaltung für dich am besten funktionieren, hängt von deiner Schulter-, und Schulterblattflexibilität ab
  • Eine Handschelle sollte immer so locker gefesselt sein, dass du theoretisch rauskämest
  • Seilverlängerungen gehören nicht in den Zwischenraum zwischen Arm und Körper
  • Bestenfalls liegen beide Traglagen im oberen Drittel deines Oberarms und lassen viel Platz zum Ellenbogen (Regeln, dass zwischen der oberen und unteren Traglage eine Handbreit Platz gelassen werden muss sind völliger Blödsinn)

Die richtige Höhe der Traglagen auf den Oberarmen zu finden und die richtige Armposition dauert. Aber wir haben bisher immer ausnahmslos für jeden Menschen - auch diejenigen die überzeugt waren keine TK haben zu können - eine Lösung gefunden.


Ein sich anbahnender Nervenschaden verläuft manchmal symptomlos. Dennoch gibt es Handfunktionstest, die sowohl Sensorik als auch Motorik der Hand testen und mit denen man sich sicherer sein kann, noch keinen Nervenschaden zu haben. Kribbeln deine Hände, so ist zunächst zu unterscheiden, ob die gesamte Hand kribbelt (wie ein Fuß der einschläft), oder ob nur einzelne Finger kribbeln. In ersterem Fall - die ganze Hand kribbelt - handelt es sich zu 90% um einen Blutstau. Blut wird in der Hand gestaut (es ist NICHT so, dass kein frisches Blut in die Hand kommt, das wäre fatal) und sorgt für eine bläulich lila Verfärbung und Kribbeln. Ein Blutstau ist rein medizinisch erstmal kein Problem. Bei zu heftigem Blutstau spürst du jedoch auch nicht mehr wenn nun einzelne Finger beginnen zu kribbeln - ein sicheres Zeichen dafür, dass sich ein Nerv beschwert. Aus diesem - und nur aus diesem Grund - ist auch ein Blutstau für uns beim fesseln problematisch.

Kribbeln einzelne Finger solltest du dies in jedem Fall an deinen Rigger rückmelden.

Testen kannst du deine Handfunktion indem du mit dem Daumen über die anderen Fingerkuppen streichst, so spürst du Taubheitsgefühle. Gib dir immer wieder ein Thumbs-Up (solange das geht, hast du vermutlich keinen motorischen Radialisschaden). Lass deinen Rigger seine Hand auf deinen Handrücken legen und nun drück dagegen. Auch wenn das geht, hast du noch keinen motorischen Nervenschaden. Öffne und schließe die Hand, drücke zu einer Faust zu.

Hat der Rigger anatomische Kenntnisse kann er anhand der Finger welche Kribbeln ggf. die problematische Stelle in der Fesselung lokalisieren und verändern. Hat er keine so genauen Kenntnisse gilt: Je schneller der Druck von Oberarmen und Handschelle genommen wird, umso geringer ist das Risiko einen länger bleibenden Nervenschaden davon zu tragen. Also möglichst schnell Last von der Oberkörperfesselung nehmen und abfesseln.

Ist es trotz alle Vorsichtsmaßnahmen und Umsicht mal passiert, dass du einen Nervenschaden davongetragen hast - der häufigste ist die sogenannte Fallhand, gilt: Fesselpause! Alle anderen Empfehlungen wie Ibuprofen einzunehmen, zu kühlen, oder zu massieren, sind unbelegte Empfehlungen.

Warum sollst du ein entzündungshemmendes Schmerzmittel nehmen, wenn du weder eine Entzündung, noch Schmerzen hast? Ob dir kühlen, oder Wärme besser hilft, oder nichts von beidem, ist deine eigene Entscheidung und beides führt nur dazu, dass du dich mental-emotional besser fühlst und hat keinen direkten Effekt auf den Nervenschaden. Da ein Nervenschaden eine Kompressionsschädigung ist, ist es unter keinen Umständen empfehlenswert, weiteren Druck durch eine Massage auszuüben.

Vitamin B12 kann dabei helfen, die Eiweißschicht die den Nerv umgibt schneller wieder regenirren zu lassen. Es ist frei verkäuflich und ein wasserlösliches Vitamin, das heißt du kannst dir damit weder eine Überdosis zufügen, noch sonst einen großen Schaden zufügen. Ob du das nehmen möchtest ist deine individuelle Entscheidung, auch hier gibt es keine belegbaren Studien.

Bring deine Hand nicht in eine Schonhaltung, mache einfach so normal wie möglich alle Alltagshandlungen. Folgende Übung zur passiven Bewegungsübung kannst du machen (Buch in beide Hände).

Ansonsten heißt es einfach: abwarten! Und sich nicht scheuen, zum Arzt zu gehen, wenn nach wenigen Tagen keine Besserung eintritt. Manchmal dauert so ein Nervenschaden nur ein paar Minuten, manchmal Stunden, Tage, oder Wochen. Nach Tagen ohne Besserung hilft ein Arztbesuch in sofern, als das zum Beispiel die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen werden kann und damit der Schaden und seine Schwere lokalisiert werden können.


Hämatome/ Seilbrand/ Spannungsbläschen:

Abseits von diesem sehr großen Feld der Nervenschäden, kann es vorkommen, dass man sich Hämatome, Seilbrand, Abschürfungen und sogenannte Spannungsbläschen zuzieht. Letzteres sind Bläschen der Hautoberfläche die bei zu viel Druck auf eine Stelle auftauchen. Alle diese Begleiterscheinungen sind in der Regel harmlos und vergehen nach kurzer Zeit wieder.


Ohnmacht/ HWS-Überstreckung:

Es ist möglich in Ohnmacht zu fallen, auch dies kann diverse -meistens harmlose (wenig trinken, unterzuckert, Aufregung - Gründe haben. Fesseltechnisch sollten der Hals (auch eng am Hals langlaufende Schulterseile) und der Bereich an dem die Rippen zusammenlaufen ausgespart werden. Am Hals kann der Carotis-Sinus-Reflex ausgelöst werden und zu Ohnmacht führen, im Bereich der zusammenlaufenden Rippenbögen der Vagus-Reiz/ Solarplexus. Generell solltest du dir keine Seile um den Hals legen lassen, den Kopf nicht mittels Seilen durch Mund, oder an den Haaren nach hinten überstrecken lassen, wenn du dir nicht sehr sicher sein kannst, dass dein Rigger weiß, was er tut. Diese Kopf-Überstreckungen sehen toll aus, geben einem auch oft ein tolles restriktives Gefühl, können aber auch sehr schnell mal einen Schaden an der Hals-Wirbel-Säule produzieren, wenn man nicht weiß, welche Gelenkspielräume es gibt und wenn der Kopf in überstreckter Position einen Ruck erfährt.

Grundsätzlich ist eine Ohnmacht (aus welchen Gründen auch immer) zunächst kein Problem. Priorität hat, die gefesselte Person sicher zu Boden zu bringen, die Beine hochzulegen, zu überprüfen ob sie noch atmet. Wacht sie nicht nach wenigen Sekunden auf (und erst DANN wird entfesselt) so ist die stabile Seitenlage einzunehmen und der Notarzt zu verständigen.


Diese Informationen wirken vielleicht sehr medizinisch, sehr technisch und vielleicht auch abschreckend, aber es ist wichtig, dass man darüber Bescheid weiß. Auch und gerade die Ropemodels. Ihr könnt nur wissen worauf ihr euch einlasst, wenn ihr vollständig über den worst case informiert seid. Und nur wenn ihr vollständig informiert seid, könnt ihr im Konsens und einvernehmlich Verantwortung über euch und die Fesselsituation übernehmen. Und niemand kann euren Körper so gut einschätzen wie ihr selbst, in einer Fesselsituation tragt ihr die Verantwortung einzuschätzen, wie es euch geht und wie weit ihr gehen möchtet.


Kommen wir aber nun erstmal weg von der Anatomie (ich stehe wie gesagt gerne für Fragen zu Verfügung, das Thema allein könnte vier Stunden referiert werden) und wenden uns dem Thema Anspannung, Entspannung und Körperbewusstsein zu.

Wenn du gefesselt wirst, versuche dich zu entspannen. Das bedeutet nicht, dass du dasitzen sollst wie ein nasser Sack, aber dass du dich locker und weich machst um führ-, und formbar zu werden. Je entspannter du bist umso leichter wird es dich in eine bestimmte Position zu bringen und desto weniger schnell verkrampfst du und bekommst Schmerzen. Trau dich, dich führen zu lassen, vertraue darauf, dass du gehalten wirst. Nur so kann dein Rigger auch lernen, wann und wie er dich halten muss, damit du nicht umfällst und dich in die Richtung bewegst in der er dich haben will. Gib dich hin und vertrau.

Vor einer Hängung (egal ob halb oder ganz) lehn dich etwas in die TK, sobald diese am Suspensionpoint befestigt wurde, lehn dich hinein, beweg dich leicht hin und her, so spürst du ob alles gut sitzt, nichts auf ungute Art und Weise drückt.

In Semi-, und Full-Suspension ist es anders als am Boden ratsam Körperspannung zu halten.

Besprechen wir exemplarisch die beiden Standard-Suspension: In einer Semi-Side-Suspension lehn dich in die TK und dein Oberschenkelseil und bau Spannung in Bauch-, und Rückenmuskulatur auf, beweg dein Becken nach vorne, stell dein Standbein unter den Ring. So stehst du sicher, ohne zu kippeln und verteilst das Gewicht gleichmäßig.

In einer vollständigen Side Suspension, kannst du am Anfang das untere Bein durchstrecken um dein Becken hochzuhalten, bis du ein Hüftseil bekommst.

In einer Semi-Facedown lehn dich nach vorne in die TK, stell dein Standbein wieder unter den Ring, bitte darum, dass deine Fußschelle sich V-förmig um deinen Knöchel legt, entspann dein Becken. In einer Full-Facedown, stemm dich in die Fußschellen bei zum Körper gezogenen Knien, bis du ein Hüftseil hast und halte so dein Becken hoch um ein Hohlkreuz zu vermeiden.

Für JEDE Suspension, auch eine x-beliebige Freestyle-Suspension gibt es Tipps wie man sich selbst in der Situation helfen kann, alles was man dazu braucht ist ergonomisches Verständnis von Body mechanics. Wenn es also Suspensions gibt von denen du der Meinung bist, dass sie mit dir nicht machbar sind, komm zu uns, wir schauen uns das an und beraten dich, was und wie man anders machen müsste um es für dich machbar und komfortabel zu gestalten.


Viele Menschen sagen, dass es für sie am Anfang schwierig sei, guten von schlechtem Schmerz zu unterscheiden in einer Fesselung. Das stimmt, aber nur zum Teil. Natürlich muss man erstmal ein paar Erfahrungen gesammelt haben um beurteilen zu können, was sich in welcher Fesselung normal und was schlecht gefesselt, blöd platziert, unverhältnismäßig schmerzhaft anfühlt. ABER, wenn man sich auf das eigene Körpergefühl und die Intuition verlässt, dann sagt einem der Körper schon sehr genau, was ein Schmerzreiz ist mit dem man umgehen kann und will und was derart wehtut, als wäre ein Gelenk überdehnt, Haut eingeklemmt, eine Rippe blockiert usw. Da sind deutliche Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung und auch im -reiz. Das gilt universell und wenn wir uns auf unser Bauchgefühl verlassen, entscheiden wir meistens richtig, was nun ein guter und was ein schlechter Schmerz ist. Die meisten Models fühlen sich nur davon verunsichert, dass sie glauben, erst dann ein gutes Ropemodel zu sein, wenn sie alles mitmachen, stundenlang dort hängen, super beweglich sind und trauen sich dann nicht ein Feedback zu geben, weil sie nicht wissen, ob es so üblich ist, weil sie nicht als Memme dastehen wollen.

Tut etwas auf schlechte Art und Weise weh, gib deinem Rigger unbedingt Feedback! Und zwar ein möglichst präzises Feedback „Mein linkes Knie tut mir sehr weh, es fühlt sich überdehnt an, könntest du es vielleicht etwas runter lassen?“, so weiß der Rigger wo und warum ein Problem besteht und wie er es verbessern kann.


Ein völlig unterschätztes Organ, wenn es um Entspannung geht ist unsere Zunge. Jeder Teil unseres Körpers ist einem bestimmten Teil der Zunge zugeordnet. Jede Verkrampfung in Kopf und Körper lässt also die Zunge ebenfalls verkrampfen.


  • Da der Mundraum unsere Schaltzentrale ist, folgt daraus: Der Kopf und der Körper können sich nur entspannen, wenn sich die Zunge entspannt. Verkrampfen Sie Ihre Zunge und versuchen Sie Ihren Kopf bzw. Körper zu entspannen. Es geht nicht. Jede Entspannung muss also im Mundraum beginnen.
  • Wir können nur denken, wenn unsere Zunge die Zähne berührt. Summen Sie „OM“. Die Zunge entfernt sich von den Zähnen. Denken Sie jetzt an irgendetwas. Die Zunge gibt augenblicklich ihre OM-Stellung auf und berührt die Zähne. Wir können auch nur Gefühle empfinden, wenn die Zunge das Zahnfleisch berührt. Summen Sie erneut „OM“. Wenn Ihnen jetzt etwas höchst Genussvolles einfällt, das Sie lieber tun würden als zu meditieren, strebt Ihre Zunge augenblicklich zum Zahnfleisch hin.

Abseits von all diesen eher medizinisch-anatomischen Themen gäbe es natürlich auch jede Menge auf emotional-psychischer Ebene zu besprechen. Viele Menschen machen durch Bondage gänzlich neue Körpererfahrungen , bekommen ein anderes Körperbewusstsein, erreichen sogenannten Subspace in den Seilen. In einem solchen meditativen trance-ähnlichen Zustand können wir in Innenwelten unserer Seele vordringen, die uns sonst eher verborgen bleiben. Endorphin und Dopamin durchströmen den Körper, teilweise ist der Körper (je nach Fesselung) großem Stress ausgesetzt. S olche überwältigenden Situationen können auch alte seelische Traumata wieder hochkommen lassen, die Seele ist offen und verletzlicher als sie es sonst mit ihrer Alltagsmaske ist. Es ist wichtig zu thematisieren, dass extreme Gefühlswahrnehmungen und auch eine Art Post-Rope-Depression am Tag danach ganz normal sind. Die Depression danach entsteht durch die Normalisierung der Hormonkonzentration im Körper. Das extreme Erleben der Gefühlswelt durch die extreme Situation in der man sich befindet, durch das ablegen der Maske durch Entspannung, Hingabe und Aufgabe.

Manche Menschen verspüren nach einer sehr i ntensiven Fesselsituation ein Zittern im Körper, dass meist im Bauch-Lenden-Bereich beginnt. Auch das ist ganz normal, es ist eine natürliche Reaktion des Körpers sich in überwältigenden Situationen durch Anspannung der Psoas-Muskeln zu schützen, denn durch Anspannung dieser Muskeln werden Herz und innere Organe vor Angriffen geschützt. Dieser Mechanismus geschieht unterbewusst und entstammt Fluchtmechanismen aus dem Tierreich. Lösen wir uns von unserer alltagssprachlichen Definition von Trauma, die zumeist negativ betont und mit Schock-Trauma in Verbindung gebracht wird, und begreifen Trauma als jede Art von Situation, die uns überwältigt und uns in der Reaktion darauf zunächst überfordert, so ist nicht verwunderlich, dass es nach einer Fesselsituation zu einem unkontrollierten Zittern kommen kann. Das Zittern entsteht dadurch, dass die Psoas-Muskeln nach der Stresssituation entspannen. Dieses Zittern entspannt nicht nur den Körper sondern auch den Geist und soll den Körper davor schützen, die gemachte Erfahrung als traumatisch abzuspeichern. In der westlichen Kultur in der es allgemein ein hohes Kontrollbedürfnis auch über den Körper gibt, wird ein solcher Zustand des Zitterns als pathologisch wahrgenommen und man meint man müsse die Person beruhigen, dabei ist es ein Selbstschutz des Körpers und Selbsteinigungsprozess der Seele. In der Psychotherapie nennt man diesen Vorgang Trauma&Release und es gibt spezielle Trauma&Realease Excercises die zum Beispiel bei Soldaten mit postraumatischer Belastungsstörung, aber auch bei Burnout, und vielen anderen Überspannungszuständen angewandt werden. Leistungssportler kennen vielleicht auch das reinigende Gefühl des Muskelzitterns, nach einem Training, bei dem man eigentlich weit über seine Belastungsgrenze drüber gegangen ist.


In unserem Workshop zum Thema Rope-Bottoming, gehen wir noch detaillierter auf die verschiedenen Handhaltungen in einer TK ein, üben diese praktisch und beraten für wen, welche Handhaltung am besten ist, wir üben die Körperspannung in Semi-, und Fullsuspensions zu halten, gehen ins Detail was ein Nervenschaden ist und wie ein Nerv eigentlich funktioniert, besprechen Vorerkrankungen, die Vorsicht erfordern, reden über Ästhetik, tiefergehender und im Erfahrungsaustausch über Emotion und ausführlicher über verbale, wie auch non-verbale Kommunikation.

Falls ihr also interessiert seid, mehr über dieses Thema zu erfahren, seid ihr herzlich eingeladen, bei unserem nächsten Workshop mitzumachen.


Vielen Dank fürs zuhören, ich stehe euch für Fragen zur Verfügung!



von Victoria Fushicho 29 Mai, 2024
Jörg und ich waren über Pfingsten zu Gast im Karada House in Berlin und Teilnehmende, bei dem dort stattgefundenen Semenawa Workshop, welcher von Naoko und ihren Modellen gehalten wurde. Das Karada House ist ein von mehreren Personen geführter queerer Ort für LGBTQIA+ Personen und anderen Menschen marginalisierter Gruppen. Sowohl Jörg als auch ich, verarbeiten dieses Wochenende noch immer, sowohl inhaltlich als auch emotional. Dennoch möchte ich meine Erfahrungen und die durch das Wochenende angestoßenen Gedanken mit euch teilen. Dieser Eintrag widmet sich allein den Eindrücken, welche ich im Space von Karada House gemacht habe und weniger dem Workshop oder den Inhalten. Vor jedem Workshop den wir besuchen, verspüre ich immer eine Aufregung und auch eine Art Unsicherheit, bezüglich der Tage die auf mich zukommen, der Menschen welchen ich begegne und letztlich auch ob ich als Modell „gut durchhalte"- was auch immer gut durchhalten bedeutet. Dieses Mal war ich nicht weniger aufgeregt, doch meine Unsicherheiten waren nebst den bekannten auch andere; bin ich achtsam genug, bin ich überhaupt queer oder marginalisiert genug dort zu sein, was, wenn ich versehentlich Menschen falsch lese oder misgendere…ihr könnt es euch vorstellen, mein Stressball war auf Anschlag. Kleiner Einschub, ich habe eine Person misgendert, mich korrigiert und mich bei der Person entschuldigt- Fehler passieren- das ist nicht das Ende der Welt, unser Umgang in so einer Situation entscheidet allerdings ob sich die betroffene Person mit uns sicher fühlt oder nicht. Ich habe das Karada House als offenen, gemeinschaftlichen Ort erlebt, indem ich mich eingeladen fühlte einfach sein zu können und was ich mitzubringen hatte vollkommen ausreichend war. Ein Ort des Austausches, des Wohlwollens, weg von Konkurrenz und einer Instagram/ „wir fesseln nur für Fotos" Mentalität. Einen Ort an dem sich die Menschen nacheinander in den Pausen erkundigten. „Was ist dein Bedürfnis? Brauchst du was? Hast du genug gegessen/ getrunken? Möchtest du dich zurückziehen?“ Noch nie habe ich einen Space besucht, welcher so divers war, wie dieser- schön und auch schade zugleich. Das soll keine Lobhudelei darauf werden wie toll alles war, durchaus gab es Dinge, die ich persönlich anders machen würde, dennoch hat sich mein Aufenthalt sicher für mich angefühlt- ich war durchaus oft von den Eindrücken überfordert, aber ich habe mich sicher und für dieses Wochenende, als Teil einer Community gefühlt. Keinesfalls möchte ich andere Spaces oder Veranstaltungen herabsetzen, dennoch wirft dieses Wochenende in Berlin unweigerlich die Frage danach auf, was mir in anderen Spaces und Veranstaltungen gefehlt hat?! Welche Verantwortung haben wir als Veranstaltende, wenn es darum geht den organsierten Workshop und oder den Space sicherer zu machen? Wie werden Menschen einbezogen, eingeladen, angesprochen? Werden sie überhaupt inkludiert? Ein Space, ein Workshop oder eine Veranstaltung werden nicht sicherer, weil man sich ein Label aufgeklebt hat, Communities entstehen nicht einfach von alleine, weil Menschen mit einer gemeinsamen Leidenschaft zusammenkommen und es fühlen sich auch nicht alle Menschen angesprochen weil auf einer Homepage die Floskel „hier sind alle willkommen* steht - dazu fällt mir ein Zitat ein, ich weiß leider nicht mehr von wem „werden Menschen nicht aktiv einbezogen, werden sie passiv ausgeschlossen...* Mir ist durchaus auch klar, dass Vielfalt etwas ist, welches sich natürlich entwickeln muss und die Diversität in Spaces hängt nicht selten von der jeweiligen Verortung ab. Doch, einen Space zu eröffnen, Workshops zu hosten, Veranstaltungen zu organisieren, ist ein wichtiger Anteil innerhalb der Szene, dem Macht und vor allem Verantwortung innewohnt. Wir bereiten die Basis dafür, dass sich Menschen bei uns wohl, geschützt und gesehen fühlen. Wir haben Einfluss darauf wer Zutritt erhält, wie mit Konflikten umgegangen wird und ob und wie Konsequenzen bei Missachtung oder Fehlverhalten resultieren. Und wir sollten mit gutem Beispiel voran gehen, einen Werte und Ethik Kompass zu etablieren, an dem sich andere orientieren können und den wir ungeachtet freundschaftlicher Beziehungen zu anderen innerhalb der Szene auch einhalten. Ich werde von den Eindrücken dieses Wochenendes noch eine Weile zehren, fand viel Bestätigung in unserer eigenen Art einen Space zu führen und konnte positive Dinge für uns mitnehmen. Solltet ihr mit dem Gedanken spielen, dass Karada House einmal zu besuchen/ einen Workshop dort zu besuchen, TUT ES.
von Fushicho 15 Jan., 2024
Basic Infos für alle Menschen, die mit dem Fesseln beginnen von Seilmaterialien über Verletzungspotentiale und Konsens Kultur.
von Lecia Fushicho 11 Nov., 2023
Muganawa - Vollkommen präsent im Moment sein und ohne Ziel und ohne festes Bild fesseln
von Fushicho 27 Juni, 2023
Zu alt, zu arm, zu queer, nicht queer genug – auch wenn Lesben, Schwule, bisexuelle, trans* oder inter* Menschen unter sich sind, fühlen sich nicht alle gleichermaßen willkommen und respektiert. Victoria spricht in diesem Podcast über ihre Erfahrungen innerhalb der queren Community, über schwarz sein und Tokenism, über Pansexualität und Sexualisiert werden, über Polyamorie und Slut-Shaming. Über White Passing und darüber, dass Schwarz keine Farbe ist. Vor allem aber darüber, dass ALLE Menschen lernen sollten einander zuzuhören, in einen echten Dialog miteinander zu gehen, voneinander zu lernen, übereinander zu lernen und niemand jemals "perfekt anti-diskriminierend" sein wird.
von Fushicho 07 Feb., 2023
Mit anderen Frauen Sex haben ist völlig okay, aber mit einem anderen Penis nicht? Warum das ziemlich unlogisch ist erklären wir dir hier im Beitrag zur One Penis Policy.
von Fushicho 07 Feb., 2023
Was macht Sexualität aus und was macht Intimität aus? Oftmals wird in einer Beziehung vorausgesetzt, das klar ist wie der gemeinsame Sex oder die gemeinsame Intimität aussehen. Meistens lohnt es sich darüber zu sprechen!
von Fushicho 07 Feb., 2023
Eifersucht in offener oder polyamorer Beziehung ist ganz normal. Sie ist ein Gefühl wie jedes andere auch und möchte dir etwas über deine Ängste und Bedürfnisse mitteilen.
von Fushicho / Sexualberatung 27 Jan., 2022
Theoretisch haben wir alle in der Schule gelernt, dass es sexuell übertragbare Krankheiten gibt, welche das sind und wie man sich schützen kann. Ja. Theoretisch. Mehrheitlich waren diese Unterrichts-Situationen doch eher unangenehm, man war froh, wenn das Thema durch war und dachte sich: 1.) Wird mir schon nicht passieren ich bin ja informiert 2.) Wenn ich darauf achte Kondome zu nutzen, geht es schon gut 3.) Das betrifft ja nur Leute, die rumhuren Zu 1.: Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat 2016 die " Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen “ vorgestellt. Im Rahmen dieser Strategie wurde eine Umfrage zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD) unter knapp 5.000 Teilnehmern zwischen 18 und 75 Jahren durchgeführt. Ein Teil dieser Studie beschäftigt sich mit der Bekanntheit verschiedener sexuell übertragbaren Infektionen. HIV/AIDS war mit Abstand die bekannteste STI (71 Prozent). Danach folgt mit knapp 40 Prozent Gonorrhö (auch Tripper genannt) und mit gut 30 Prozent Syphilis. Etwa jedem zehnten Deutschen sind Chlamydien, Genitalherpes und Hepatitis B als Geschlechtskrankheiten geläufig. Seltener wurden Genitalwarzen, Filzläuse und Trichomonaden genannt. Vergleichen wir diese Ergebnisse mit den häufigsten Geschlechtskrankheiten Deutschlands: Chlamydien Trichomonas vaginalis Gonokokken /Gonorrhö (Tripper) Sowohl Chalmydien, als auch die Trichomonaden sind nur mindestens jedem zehnten Deutschen geläufig. Das ist ein Missverhältnis zwischen Häufigkeit und Bekanntheit. Zu 2.: Kondome schützen sicherlich vor vielen sexuell übertragbaren Krankheiten. Allerdings können die Erreger auch über den Mund und die Hände übertragen werden, wenn diese Kontakt mit Genitalien haben. Der Blowjob gehört zu den zweit-beliebtesten Sexualpraktiken, wird aber nur in sehr seltenen Fällen mit einem Kondom praktiziert. Dass es für Oralsex an der Frau auch "Kondome" gibt, sogenannte Lecktücher (alternativ funktionieren auch aufgeschnittene Gummihandschuhe/ Frischhaltefolie) ist nur wenigen bekannt. Sich alleinig auf das Verwenden von Kondomen bei penetrativem Sex zu verlassen ist also keine gute Idee. Zu 3.: Das ist eine extrem Vorurteils-Behaftete Vorstellung. Geschlechtskrankheiten haben nichts damit zu tun "rumzuhuren" und dieser Begriff assoziiert, dass Huren (SexarbeiterINNEN, Prostituierte) grundsätzlich "schmutzig" und mit einem Risiko sich zu infizieren versehen wären. Das ist ein Stigma. Und es entspricht keiner Realität. Jeder Mensch, der Sex hat, kann sich auch mit einer sexuell übertragbaren Krankheit infizieren. Punkt. That's it. Genauso, wie jeder Mensch eine Magen-Darm-Grippe, oder eine Erkältung bekommen kann. Viren/Bakterien machen uns krank. Und in der Regel ist das ganze behandelbar. Wir sollten also dringend normalisieren, dass sexuell übertragbare Krankheiten weder selten, noch schmutzig, noch Zeichen von "Rumhurerei" sind.
von Fushicho / Paarberatung 23 Jan., 2022
Ein häufiges Thema in meinen Beratungen ist, dass Paare berichten die verschiedenen Ebenen, die sie miteinander teilen, also zum Beispiel Eltern sein, Liebende sein, Sexualpartner sein nicht zufriedenstellend leben können. Oft dominiert vor allem eine funktionale Ebene und andere sinnlichere Ebenen geraten in den Hintergrund, es entsteht ein Mangelgefühl und eventuell auch Frustration. Letztere vor allem dann häufig, wenn die sexuelle Ebene nicht mehr so präsent ist. Besonders eine BDSM-Ebene geht im Beziehungsalltag schnell unter. Irgendwie erscheint nie der richtige Zeitpunkt oder Kontext, um jetzt in die Rollen des Dominanten/ Submissiven zu schlüpfen. Hier empfehle ich Paaren oft, Rituale zu schaffen, die ihnen ermöglichen ihr individuelles Machtverhältnis zu spüren und erleben. Sei es das Anlegen eines Schmuckstückes, das Anleinen zur Nacht, die Servier-Reihenfolge beim Abendessen, ein Kaffee der gebracht wird, ein Knien Abends vor dem zu Bett gehen, und viel mehr was möglich wäre. Solche Rituale lassen sich i.d.R. in den Alltag einbauen und schaffen so Raum sich auch Abseits einer funktionalen Rolle zu erfahren. Hilfreich kann außerdem sein, zunächst einmal im Rahmen der Beratung auseinander zu dividieren, welche unterschiedlichen Rollen jeder jeweils überhaupt inne hat, was diese Rollen ausmacht und - im nächsten Schritt aber auch: Wie malt sich der Rolleninhaber diese Rolle aus, welche Rollenerwartungen werden aber auch an ihn gestellt. 

Dieser Abgleich von eigener Rollenvorstellung und den Rollenerwartungen des Partners führt meistens zu einem besseren Verständnis zwischen den Paaren und einer Erkenntnis, woher Konflikt-, und Streit-Dynamiken rühren. Im Anschluss daran lassen sich sowohl Wünsche und Bedürfnisse der Partner, als auch passende Situationen für die jeweiligen Rollen formulieren.
von Fushicho 19 Okt., 2021
Seit über 10 Jahren bin ich in der Welt des BDSM aktiv und habe die unterschiedlichsten Facetten dieser schillernden Welt bewundert, bestaunt, betrachtet und für mich entschieden, was ich davon toll oder persönlich nicht so toll finde. Und seit ein paar Jahren nutze ich dieses Wissen auch in meiner Arbeit, sei es als Fessel-Lehrerin oder als Sexual Coach. Ich finde es persönlich sehr wichtig, als Coach in diesem Bereich nicht nur theoretisches Wissen zu haben, sondern auch Selbsterfahrung. Und wenn ich eine Sache sicher weiß, dann dass man nie auslernt, denn Sexualität verändert sich - im Lauf des Lebens, des Alterns, abhängig von Partnern und Lebensumständen. Als ich mich entschied mit meinem Partner am Workshop "Feuer" von Kristina Marlen teilzunehmen, wusste ich nur zwei Dinge: 1.) Kristina Marlen ist eine von mir vielfach bewunderte Frau und allein deshalb wird sich lohnen von ihr zu lernen 2.) Es würde mein erstes Mal in der Rolle der Teilnehmerin werden und ich war ziemlich nervös Und dann gab es auch noch eine dritte Ebene, die aber vor allem eine rein hypothetische Meta-Ebene war, nämlich die, wie mein Partner und ich wohl in der Semi-Öffentlichkeit funktionieren würden. Immerhin ist es ein ziemlich großer Unterschied, privat zu Hause in die Welt des BDSM einzutauchen, oder vor anderen - bis dato fremden - Menschen miteinander in ein intensives Spiel zu gehen. Oder sogar mit anderen? Und was wäre, wenn ich meinen Partner, den ich bisher als sehr souverän und authentisch empfand plötzlich als unsicher erlebe? Klar, das ist menschlich, aber würden wir auch damit umgehen können innerhalb unseres D/s Verhältnis und während wir gerade in einer komplett neuen Situation sind, die uns potentiell beide verunsichert? Und ist es eigentlich sinnvoll in einer so frischen Beziehung an einem Workshop teilzunehmen? Ich habe beschlossen, all diese Überlegungen für einen Ausflug in den Wald zu schicken und stattdessen einfach offen und frei für jede Erfahrung zu sein die zu mir kommt, denn wenn sie eines immer sicher tun, dann dich selbst weiterbringen. Gerade in der Wahrnehmung der inneren Widerstände, Grenzen und dem Gefühl des Unbehagen liegt sehr viel Kraft zu wachsen, sich selbst besser zu erkennen und sich zu entwickeln. Und so betrat ich Samstag Morgen den Raum und wurde direkt in eine Situation geworfen, die mich vor wenigen Jahren noch in Bedrängnis gebracht hätte. Tanzen am Morgen - einfach so - mit völlig Fremden - Jetzt - auf Knopfdruck. Und alle machten das auch ganz frei und fröhlich, während ich innerlich dachte "Bitte nicht, ich möchte mich setzen, meinen Tee trinken und in meiner Beobachter-Rolle fühle ich mich eigentlich sehr wohl". Ich bin nicht zum mitmachen gezwungen worden, aber die Selbstverständlichkeit und Fröhlichkeit aller Tanzenden hat mich einfach mitgerissen. Aus Tanzen wurde auf dem Boden kriechen, sich fangen, übereinander kriechen, nebeneinander, ein ganzer Haufen kriechender Menschen. Fremder Menschen! ABER ich war auch plötzlich ganz körperlich präsent. Hatte gar nicht mehr das Bedürfnis nach einer Beobachter-Rolle, sondern wurde souverän damit körperlich präsent zu sein, mich körperlich zu zeigen, auszudrücken, ganz ohne Kopf und das war eine ziemlich gute Erfahrung die mich denken ließ "Wow, das ist klug, direkt zu Beginn des Workshops mit allen Unsicherheiten brechen und die Teilnehmer mitreißen in die Körperlichkeit und die Aktivität zu gehen, damit das keine lahme Gruppe wird wo jeder erstmal nur guckt aber nichts macht". Ich muss an dieser Stelle aber auch ergänzen, dass es sich allein deshalb lohnen könnte, das Tanzen mitzumachen, weil Kristina Marlen ganz sicher die Königin des Körper-Ausdrucks ist und ich bereits vor JAHREN, als ich sie das erste Mal auf einer EURIX (European Rigger Exchange - Festival in Berlin) wahrnahm beeindruckt und ein bisschen angeturnt war, wie gut sie sich bewegt und wie sehr ihr Körper spricht, ganze große Geschichten werden da erzählt. Im weiteres Tagesverlauf beschäftigten wir uns mit Grenzen, vor allem damit, dass Grenzen nicht nur etwas mit Nein-Sagen zu tun haben, sondern vor allem auch mit Ja-Sagen! Es reicht nicht aus, bloß zu wissen was man alles nicht will, es ist ebenso wichtig enthusiastisch sagen zu können, was man ganz unbedingt will. Diese Übung habe ich am meisten gemocht, denn es ist ein allgemeines Problem, dass nicht nur Stellenwert in der Sexualität hat, dass Menschen sehr oft nicht wissen, was sie wirklich wollen, was ihre Herzen begehren, wozu sie im Leben AKTIV Ja sagen wollen. Die Übung war wichtig, um Grenzbewusstsein und Achtsamkeit im Umgang damit bei allen Teilnehmern nochmal zu schärfen, gleichwohl die Gruppe von Beginn an sehr achtsam auftrat. In einer anderen Übung lernten wir unsere Hände als vielfältige Schlaginstrumente kennen und da war ich persönlich überrascht auf wie viele Arten ich Schlagwerkzeuge mit meinen Händen imitieren kann. Der Tag endete mit einem - bewusst sportlich gehaltenen - Zirkeltraining, mehreren Stationen mit thematisch sortierten BDSM-Elementen (Flogging / Caning / Wachs / Fixierung) die man zu zweit ausprobieren konnte, um für sich rauszufinden, was einem Lust bereitet und was nicht. Für diese Übung wurde sehr viel Zeit eingeräumt, was ich sehr angenehm fand. Wo mein Partner und Ich am Vormittag die Chance genutzt hatten uns auch mit anderen Menschen auszuprobieren (denn wir waren das einzige Paar, dass mit bestehender D/s Konstellation in den Workshop kam) und diese Chance auch sehr genossen haben, denn man lernt mehr, wenn man aus Mustern ausbricht und neue Dinge mit unbekannten Menschen vorsichtig und langsam ausprobiert, haben wir das Zirkeltraining gemeinsam gemacht. Denn es sollte uns in unserer Beziehung Aufschluss darüber geben, was wir miteinander intensiver ausprobieren wollen. UND ich persönlich hätte mir gar nicht vorstellen können in eine - teilweise mit Schmerz verbundene - Intensität mit anderen Menschen zu gehen, in mir wäre es nur zu Abwehrreaktion gekommen, was einerseits daran liegt, dass ich nicht masochistisch bin (der Schmerz selber löst in mir keine Lust aus - nie / einzig und allein dass ich das FÜR jemanden aushalten möchte/muss, dass jemand mich dazu zwingt, usw. bereiten mir Lust) und andererseits daran, dass ich - wie ganz viele Menschen - auch traumatische Anteile in mir habe, die es mir schwer machen, in eine solche körperliche Intensität mit Fremden zu gehen. Das war aber völlig unproblematisch, dass wir dort dann als Paar interagiert haben und für uns super aufschlussreich im Labor-Modus zig Spielzeuge auszuprobieren und zu bewerten. Kristina Marlen und ihr* Partner* waren die ganze Zeit über präsent, in ruhiger, zulassender, Raum gebender Art und Weise. Jederzeit ansprechbar, aber nie aufdrängend. In den Demonstrationen - die wirklich schwierig für Workshopleiter sind, denn ad hoc mit seinem Partner in eine intime Situation switchen und währenddessen einem Kurs auch noch etwas erklären, ohne die Aufsichts-, und Fürsorgepflicht gegenüber dem Partner zu vernachlässigen ist schwer - waren beide so wunderbar echt, nahbar, witzig und das tat gut, denn BDSM muss wirklich nicht so ernst sein, es ist auch nur eine Facette der Sexualität, bei der man lachen und Spaß haben darf. Die Stimmung im Raum war leicht, annehmend, frei, sexpositiv, neugierig, geschwängert von "Ah's" und "Oh's" und fiependen und stöhnenden Lauten. Ein ganz wunderbarer Raum! Mein Abend setzte sich intensiv fort, denn der Tag war so anregend, dass mein Partner und Ich zwar müde und körperlich erschöpft waren, aber dennoch nicht davon abgehalten werden konnten, noch eine sehr intensive Session miteinander zu teilen. Tag zwei begann erneut mit Tanzen und aufwärmen (ich hatte mich nun schon damit angefreundet, ein schneller Prozess :-) ) um sich dann den Techniken des Floggings zu widmen. In unterschiedliche Teil-Übungen aufgedröselt bekam jeder Teilnehmer die Möglichkeit sich an beiden Enden des Floggers zu erleben. Ein theoretischer Vortrag zu Pain-Processing und sich daran anschließende Mikro-Übungen zur körperlichen Erfahrung vervollständigten die Toolbox um dann nach der Mittagspause gerüstet zu sein, für eine "richtige" Session. Alle Workshop-Teilnehmer zogen sich sexy Klamotten an (wobei ich kritisch anmerken müsste, dass die Männer da sehr viel Luft nach oben hatten, diese blieben nämlich mehrheitlich im Sport-Outfit *zwinker*) und richteten sich Session-Plätze ein mit ihren Wunsch-Tools, die sie verstärkt ausprobieren und einsetzen wollten. Der dominante Part, war jetzt in völliger Service-Rolle, es sollte nicht darum gehen, dass der dominante Part seine Fantasien durchsetzt, sondern den empfangenen Part damit beschenkt, dessen Fantasien zu bedienen. Der Raum füllte sich wieder mit Wärme, Stöhnen, den Geräuschen der Peitschen und Paddle und ich selber driftete mit meinem Partner in eine sehr tiefe, sehr ergreifende Session, in der wir vor allem lernten, dass wir auch komplizierte Flugmanöver, kurzentschlossenes Umlenken bei Gefahr des Flugzeugabsturzes, Steilstart und Segelfliegen beherrschen. Ich belasse es an dieser Stelle metaphorisch, aber es war eine gute Erfahrung zu spüren: Wir vertrauen einander so sehr, dass wir hier ganz öffentlich miteinander in eine Edgeplay-Session gehen, wir können Unsicherheiten gemeinsam aushalten, wir können beide auch innerhalb einer Session für uns selber einstehen und uns mitteilen (das war für mich neu, dass ich auch völlig weg gespacet kurz auftauchen und mich klar artikulieren kann, was ich brauche oder wo mein Problem liegt, um dann wieder abzutauchen) und wir wollen das vor allem beide ganz aus unseren Herzen heraus, ganz aus uns selbst heraus motiviert. Ich bin - beyond words - dankbar für diese tolle Erfahrung. Kristina Marlen wird jetzt auf noch viel mehr Arten und Weisen von mir bewundert, gleichzeitig habe ich aber auch auf Augenhöhe sehen können, wie ähnlich unsere Ziele und Visionen oft sind, war dankbar als halbe Kollegin trotzdem ganz privat in diesem Kurs sein zu dürfen (und nein, das ist leider nicht selbstverständlich, dass es unter Kollegen ohne Umstände möglich ist in deren Didaktiken und Ansätze reinzuhören/ reinzuprobieren). Ich habe - und das war mir aber vorher aufgrund meiner eigenen Expertise klar - persönlich nichts Neues über BDSM Tools und Plays gelernt (sehr wohl aber Einzelheiten, wie den Einsatz der Hände als Schlagwerkzeug), aber ich habe sehr viel Neues über mich, meine Wünsche im Play mit meinem jetzigen Partner, meine Möglichkeiten und Grenzen gelernt und vor allem habe ich gelernt, dass ich im Verlauf der letzten Jahre sehr bei mir selbst und meiner Sexualität angekommen bin und sehr gut für mich einstehen und sorgen kann. Eine wertvolle Spiegelung die ich mitnehmen darf. Obwohl ich also nicht die primäre Zielgruppe dieses Workshops war, war er sehr bereichernd für mich. DANKE! An Kristina Marlen, Partner*, ihr Team, die Workshop-Teilnehmer, meinen Partner und auch an mich selbst. Mehr zu Kristina Marlen: https://www.marlen.me (Das Bild stammt auch von ihrer Homepage)
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