(Fotos von Docvale, Isabelle Hanikamu, Wildties und aus dem eigenen Archiv)
Dem Naka-inspirierten Fesselstil wird häufig vorgeworfen, einfallslos zu sein in der Hinsicht, als dass alle Bilder immer gleich aussehen würden.
Man hätte sich schnell satt gesehen, würde die immer gleichen Posen sehen. Das stimmt insofern, als dass eine Menge Bilder Kopien von Kopien von Kopien von Posen sind.
Das ist aber nicht nur im Naka-inspirierten Fesselstil der Fall. Da Suspensions in Naka-Style meist nur aus wenigen Suspension-Lines bestehen und in der Regel physisch eher taff sind, haben nur wenige Mut und Expertise bekannte und als funktionierend erprobte Posen abzuändern. Wenn die gesamte Suspension aus nur zwei tragenden Lines besteht, ist ein Verändern der Körper-Position sehr trickreich, wenn man weiterhin eine zumindest auf diese zwei Punkte gleichmäßig verteilte Last gewährleisten möchte.
Das ist der Grund, warum fast alle Suspensions sehr ähnlich aussehen (S-Shape, Vertikale, M-Shape). Dabei sind die nun schon erwähnten Shapes zwar ein wichtiges ästhetisches Stilmittel, sie setzen sich aber gar nicht aus dogmatischen Pattern (-abläufen) und Vorgaben zusammen. Akira Naka selbst sagte auf seinem Workshop, dass es keine festen Suspension-Abläufe gibt die nur so und niemals anders sein dürften. Hier besteht ein Unterschied zu anderen Fesselstilen in denen einige Fesseltechniken – vor allem Suspensions – als Kata, also streng vorgegebener Ablauf gelehrt werden. Im Naka-Style gibt es diese Vorgaben nicht. Der Grund, dass man viele Suspensions auf die immer gleiche Art sieht, liegt in eben benannter Ursache. Dass man viel Expertise, Routine in den Basics und Mut braucht um Abwandlungen vorzunehmen. Die Shapes, die für den Naka-Style typisch sind, sind durch die grundsätzliche ästhetische Prägung des Stils entstanden: Weibliche Formen betonen, Eleganz, Minimalismus, Gefühlsausdruck vor Seil im Vordergrund, Dramatik. Es ist „einfach“ eine Sicht auf die Dinge, eine präferierte Optik, eine Art künstlerischer Ausdruck von vielen.
Dabei gibt es deshalb auch nicht DEN klassischen Naka-Stil (außer wohl so, wie Akira Naka selbst fesselt). Es gibt eine große Menge Gemeinsamkeiten all jener die sich dieser Stilrichtung verschrieben haben, aber es gibt auch große Unterschiede, die man nicht zuletzt daran festmachen kann, dass es je nach Lehrer mindestens 5 verschiedene anerkannte Versionen des Naka-Gote gibt. Schaut man sich die Internetprofile von zB Hanikamu, Tamandua, Namor_Kinbaku, Hangknot, Docvale, Wildties, Peter Soptik, DirtyVonP, Discover Kinbaku und vielen vielen anderen an, stellt man schnell fest, dass jeder von ihnen eigene Vorlieben und „Spleens“ entwickelt hat und Dinge verändert.
Dem Naka-inspirierten Fesselstil wird zudem häufig angelastet, Suspension-lastig zu sein. Auch hier ist ein Quäntchen Wahrheit dran, aber man muss den Kontext sehen. Da es im Naka-Style unter anderem darum geht, jemanden Stückchen für Stückchen an den Rand der Klippe zu bringen, an diesem Klippenrand zu tanzen, jemanden physisch herauszufordern um „wahre“ Gefühle nach außen sichtbar zu machen, absolute Hingabe und Kontrollabgabe zu erzeugen wird sich häufig Suspensions bedient. Diese sind immer Teil einer Gesamt-Session, bestehend aus sich aufbauendem und wieder abbauenden Spannungsbogen. Es sind also immer auch Boden-, und Teilsuspensionelemente enthalten. Die Praktizierenden reduzieren es nur häufig selbst auf das trainieren und verbessern der Suspensions (wie in jedem Fesselstil – es ist immer das gleiche) und verlieren dadurch den Blick für die Möglichkeiten drum herum.
Alle bekannten Lehrer, die den Nake-Style weitergeben - unterrichten auch Floorties und sogar gezielte Floorties-Workshops. Vor allem Docvale aus Pais (Atelier Simonet) hat viele neue Ansätze geprägt. Der sogenannte „Fucked-Up-Gyaku-Ebi“ ist dabei übriegens eine der härtesten Fesselungen, die Lecia erlebt hat und das alles ganz ohne Suspension.
Docvale betonte, dass er Wert darauflegt, die Floorties-Positionen ohne Gote zu gestalten, denn sonst würde man im Prinzip das gleiche wie in einer Suspenion machen nur eben ohne den letzten Rest upzuliften. Das sei sinnfrei. Diese Logik fanden wir eingänglich und richtig, außerdem erscheint es interessant in einem Stil in dem der Gote scheinbar ein Must-Have ist (noch ein Vorurteil gegenüber Naka-Style), andere Optionen auszuprobieren.
Wir hatten in letzter Zeit aus didaktischen Gründen (um Modellen den Einstieg in Suspensions zu erleichtern) selbst angefangen klassische Naka-Suspensions zum einen zunächst auf Partial-Suspensions in niedriger Höhe runter zu brechen, zum anderen diese mit Gote-Alternativen zu fesseln. Dabei konnten wir für uns bereits feststellen, dass wir damit den „Originalen“ keinen Abbruch getan hatten, sondern sich viele neue emotionale und ästhetische Möglichkeiten auftaten.
Fesselt man Naka-Style ohne Gote und Floor-based, werden die Positionen nicht unbedingt komfortabler, Memo: auch am Boden können Nervenschäden entstehen und zwar auch ohne Gote. Die gängigen Checks und Sicherheitsprinzipien müssen dennoch eingehalten werden und die Fesselung nicht bagatellisiert werden.
Ein großer Vorteil der Bodenarbeit: Man hat (wie auch in jedem anderen Stil) mehr Möglichkeiten sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Aktion-Reaktion, Intimität, Gefühl, Nähe und Distanz, Enge, Festigkeit, Rope-Volume.
Wir möchten daran erinnern, die hier vorgestellten Ideen, nicht als stringente Kata-artige Fesseldogmen aufzufassen, die man nur so und niemals anders fesseln dürfte. Bitte konsumiert diese Übungen nicht als festes Schema. Es sind keine festgelegten Positionen die nur in der innerhalb des Workshops besprochenen Ausführung richtig wären. Experimentieren ist ausdrücklich erlaubt, dennoch gilt wie immer, dass zunächst die vorgestellte Übung sauber und folgerichtig umgesetzt werden sollte, bevor man eigenständig weiterbaut.
Manch eine neue „Trend-Suspension“, die man dann plötzlich inflationär auf z.B. Fetlife sieht entstand durch spielerische Experimente am Boden, die dann in einer Suspension umgesetzt wurden. So hat Docvale auch immer wieder betont, dass auch die Bodenfesselungen alle so konstruiert sein sollten, dass sie theoretisch auch einer Suspension standhalten würden. Zum einen weil man nie weiß wo die Session endet, zum anderen weil man sich meistens der gleichen Pattern bedient, die man auch in der Luft nutzt und nicht schlampig werden sollte im Fesseln, bloß weil es am Boden ist.
Last but not least: Semenawa heißt nicht Torture auf Teufel kommt raus. Ein kleines Kind kann dir schon mit Seil weh tun, dafür braucht niemand Shibari lernen. Semenawa heißt Vertrauen, heißt Kontrolle und heißt Führung. Sind diese drei Säulen gegeben kann man gemeinsam immer weiter gehen, intensiver werden, auch bewusst (!) Schmerz und Diskomfort auslösen.