Progression (von lateinisch progressio „Fortschritt, Entwicklung“)
In der deutschen Sprache kann progressiv
sowohl „fortschrittlich“ (im Sinne von modern) als auch „fortschreitend, sich steigernd“ meinen.
Im Shibari wird zwischen Transition und Progression unterschieden.
Transition meint den Wechsel von einer (in der Regel) Suspension in eine gänzlich andere. Beispielsweise von einer Bauchlage in eine Seiten-, oder Rückenlage zu wechseln.
Progression dagegen bedeutet innerhalb einer Suspension die Achse (Kopfhochlage, Kopftieflage) und einzelne Elemente zu verändern (Position und Fesselung der Beine) dabei bleibt die gefesselte Person aber in einer z.B. Bauchlage oder Seitenlage.
Bei manchen Pattern entscheidet die Tatsache, dass kein einziges Pattern verändert wird, darüber ob es sich um eine Transition oder Progression handelt. Beispiel: Im Ebi (vornübergebeugt im Schneidersitz zusammengefesselt sitzend) kann ich die Sitzposition, Seitenlage, Kopfüber-Lage und Rückenlage einnehmen. Obwohl ich jetzt die komplette Position im Raum verändert habe, habe ich kein einziges Pattern verändert. Es ist und bleibt ein Ebi. Und dadurch eine Progression. Hätte ich den Ebi in der Luft aufgelöst in dem ich die Beine in die Streckung bringe, wäre es eine Transition gewesen.
Transitionen erfordern also einen komplexeren Umbau einer Fesselung in eine komplett andere Suspension hinein. Progressionen bleiben innerhalb einer Suspension und verändern hier die Lage im Raum.
Beide Vorgehensweise dienen dazu, die Lastenverteilung zu verändern, eine neue Ästhetik zu erschaffen, andere Körpergefühle auszulösen, Spannung beim Gefesselten zu erzeugen.
Im Lernfortschritt empfiehlt es sich meistens, zuerst Progressionen zu lernen, um sicher darin zu sein, die Position des gefesselten Partners in der Luft effizient, zügig und sinnhaftig umzugestalten.
Grundsätzlich sind die Begrifflichkeiten aber fluide und finden bei Shibari-Instruktoren sehr unterschiedlich Anwendung.
Unsere Unterteilung erhebt keinen Anspruch auf die ausschließliche Wahrheit, das ist die Einteilung mit der wir arbeiten.
In unserem Workshop zum Thema Progressionen bringen wir euch bei, wie ihr Stil-unabhängig Veränderungen in einer Suspension
vornehmen könnt, die eurem gefesselten Partner entweder Entlastung oder Herausforderung
bringen, woran ihr das erkennen könnt und wie ihr entscheiden könnt was ihr als nächstes macht, sowie auf welche Art ihr die Gesamtästhetik verändern
könnt.
Stil-Unabhängig deshalb, weil wir in diesem Workshop nicht vorgeben mit welcher Oberkörperfesselung ihr fesselt.
Grundsätzlich funktionieren zunächst alle TK-Variationen aller Schulen, sowie auch Chest-Harnesse. In diesem Workshop können wir nicht darauf eingehen, welche Oberkörperfesselung warum besser oder schlechte für eine bestimmte Art von Suspension geeignet ist. Wichtig ist daher, dass dein Partner und du mit einer Suspensiontauglichen Oberkörperfesselung zum Workshop kommt, mit der ich euch wohl und routiniert fühlt.
Damit dieser Workshop keinen Charakter von Copy&Paste Lernen bekommt, sondern wir wie immer unser Motto "kApieren statt kOpieren"
groß schreiben, lassen wir euch nicht einfach 3-4 Progressionen nachturnen, sondern möchten, dass ihr grundsätzlich versteht, dass Progressionen eigentlich immer gleich funktionieren und vor allem von den Bewegungsrichtungen des Körpers und seiner Gelenkspielräume abhängig sind.
Das ermöglicht euch, unabhängig von den auf unserem Workshop gezeigten Progressionen eigenständige Progressionen zu überlegen
. Weil ihr wisst in welche Richtung sich der Körper gut und schlecht bewegen lässt, weil ihr gelernt habt, auf welche Sicherheitsaspekte zu achten ist (Mainline) und grundsätzlich verstanden habt, wie ihr effizient Gewicht verlagern könnt.
Es gibt Millionen Progressionsmöglichkeiten und wir möchten euch die Werkzeuge vermitteln, eigenständig
einige hundert davon zu entdecken.
Daher analysieren wir gemeinsam die verschiedenen Körperachsen und die Bewegungsspielräume auf ihnen (Beugen/ Strecken , Öffnen/ Schließen, Rotation, usw).
Wenn ein Teil des Körpers noch am Boden liegt, ist es stressfreier zu Beginn des Workshops erst einmal grundlegende Kenntnisse zu wiederholen und vertiefen.
Wie viele verschiedene Variationsmöglichkeiten
es in einer vermeintlich simplen Seitenlage am Boden geben kann, lassen viele Fesselnde häufig außer Acht um Fesselabläufe mit spektakulärerem Anschein zu trainieren. Wir beginnen mit Absicht ganz langsam
und lernen gemeinsam wie viele verschiedene Fesselmöglichkeiten der Beine und Positionierung dieser es gibt.
Das heißt: Wir fesseln als erstes Basic-Progressionen in der Seitenlage auf dem Boden liegend.
Im Anschluss verändern wir die Seitenlage und wechseln in eine Hogtie-Artige Position.
Dazu gehört vor allem auch die Kenntnis über die Rotation der Hüfte
. Um den gefesselten Körper ergonomisch bewegen zu können, muss der fesselnde Partner wissen, welche Drehrichtungen das Gelenk vollziehen kann. Wir üben, von einer Seitenlage mit angewinkeltem Bein in eine Seiten/Bauchlage mit zusammengefesselten Bein zu bewegen.
Die Kenntnisse über die Hüftrotation und das Zusammenfesseln eines Beines übertragen wir jetzt auf die Luf
t.
Von einer Standard Side-Suspension mit Hüftunterstützung ausgehend besprechen wir auch hier zunächst die Variationsmöglichkeiten der Beine (gestreckt, gebeugt, Futomomo, angewinkelt, Richtung Oberkörper fixiert)
. [Kein Foto]
Anschließend zeigen wir die Veränderung in eine Seiten/Bauchlage mit zwei zusammengefesselten Beinen.
Die vertikalen Suspension sind deshalb oft sehr anstrengend weil Schwerkraft-Bedingt die meiste Last oft am Torso hängt. Das lässt die Arme einschlafen, oder macht das atmen schwer. In vertikalen Suspensions ist es also besonders wichtig, dass eine gute Lastenverteilung zwischen Körperschwerpunkt und Oberkörper gewährleistet ist.
Von einer klassischen M-Position der Beine,
wechseln wir in eine Kata-Ashi Position
(ein Bein hoch, ein Bein runter) und von da in eine Y-Pose
mit zwei zusammengefesselten Beinen, die wir sonst eher von Fesselungen an der Hashira (Säule) kennen. Optional kann danach nochmal die Position verändert werden in die von uns so getaufte "Schwanensee"-Pose"
(Keine Sorge, man muss dafür keinen Spagat können, unsere Zeichner-Leistung ist nur ambitioniert ^^).