Die Liebe ist etwas Wunderbares. Wieso sollten wir sie also nicht mit mehreren Menschen teilen, wenn uns danach ist und alle beteiligten Personen einverstanden sind?
So einfach, wie die Überschrift vermuten lässt, ist es in der Regel nicht, sich aus den antrainierten Beziehungsvorstellungen der Monogamie zu lösen und polyamor zu leben. Jeder Schritt aus einer Norm heraus ist schwierig, denn es gibt natürlich viel weniger Vorbilder zur Orientierung, als wenn man einem gesellschaftlich anerkannten Normen-Konzept folgt. In der Regel wird man auch nicht polyamor geboren, wir sind in unserer europäischen Region alle mit den Wertvorstellungen einer exklusiven Paarbeziehung bestehend aus zwei Menschen - in der Regel Mann und Frau - aufgewachsen.
Das heißt, Polyamorie ist eine bewusste Entscheidung.
Und was heißt eigentlich Polyamorie?
Der Begriff setzt sich aus dem griechischen Wort polýs – das für „viel, mehrere“ steht – und dem lateinischen Wort amor, also „Liebe“, zusammen. Eine klare Definition gibt es allerdings nicht, denn Polyamorie kann unterschiedliche Formen und Ausprägungen haben.
Warum Menschen sich entscheiden, polyamor zu leben, kann unterschiedlichste Gründe haben. Häufig geht mit der Entscheidung einher, dass diese Menschen sagen:
Bevor du dich entscheidest polyamor zu leben, solltest du dir einige Fragen stellen.
Diese kannst du für dich selbst durchdenken, aber auch nutzen, um mit einem Partner ins Gespräch zu kommen.
Diese Fragen lassen sich nicht universell beantworten, erfahrungsgemäß verändert sich die Art und Weise, wie man polyamor lebt, auch mit der Zeit und mit den Partnern, da unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedürfnisse mitbringen, die integriert werden wollen.
Manche Fragen werden sich beim ersten Lesen sehr komplex und schwer anfühlen. Das ist gewollt, denn wenn du alle Fragen einfach mit 'Ja' und 'Nein' beantworten könntest, würden wenig intensive Denkprozesse aktiviert werden und die Reflexionsleistung der Fragen wäre recht niedrig.
Fragen zur persönlichen Reflexion:
Der ethische Anspruch besteht darin, die Bedürfnisse und Beziehungsrealitäten aller Partner miteinander zu kommunizieren, Aushandlungsprozessen Raum zu geben und nach Möglichkeit einen Konsens zwischen allen Beteiligten zu finden.
Dokumentationen:
https://www.youtube.com/watch?v=Lw6ayjkLnyw
https://www.youtube.com/watch?v=jq08pKi4OeQ
https://www.youtube.com/watch?v=_vyE9A7x8cI
Der Weg in die Polyamorie ist häufig ein schmerzhafter. Denn du wirst sehr viel Neues über dich lernen. Dadurch, dass alle Selbstverständlichkeiten, die ein eingenormtes Beziehungsmodell wie die Monogamie mit sich bringt, plötzlich abhanden sind, wirst du ganz neu ausloten müssen was du möchtest und brauchst. Du wirst mit Eifersucht, Unsicherheiten, Verlustängsten, Neid zu kämpfen haben.
Es geht nicht darum einen Weg zu finden, mit dem du in deinem polyamoren Modell 24/7 glücklich und verliebt bist. Es wird immer Konflikte geben.
Du darfst Eifersucht erleben und auch Angst; du kannst dann damit arbeiten, wenn du es möchtest. Aus dem Gefühl der Eifersucht oder auch Angst kannst du sehr viel lernen, wenn du in das Gefühl hinein gehst und dich fragst: Warum fühle ich Eifersucht? Was macht mich ängstlich? Wodurch fühle ich mich minderwertig? Warum? Es kann daher sehr erbaulich sein, sich auch den vermeintlich negativen Gefühlen zu stellen und viel Positives aus ihnen herauszuziehen.
Prinzipiell ist Eifersucht weder ein Liebesbeweis noch zwingend nötig noch das Böse schlechthin. Eifersucht lässt sich ganz gut analysieren, oft ist sie eher ein Ausdruck ganz vieler verschiedener Gefühle.
Wie schon weiter oben angesprochen, ist es keine gute Voraussetzung eine monogame Beziehung in eine polyamore Beziehung zu überführen, um damit Probleme auf der Ursprungs-Paarebene zu lösen. In der Regel verkompliziert man damit lediglich alles.
Mangel sollte nicht die Ursache für Nicht-Monogames Begehren sein, denn dann ist die Kompensation über eine Öffnung der Beziehung lediglich eine Symptomverschiebung. In der Regel entscheiden sich Menschen aber auch nicht aus einem Mangel für einen polyamoren Lebensstil, sondern weil sie tradierte Normen, Lebens- und Liebeskonzepte hinterfragen.
Polyamor lebende Menschen bekommen sehr häufig zu hören: "Dann liebst du X halt nicht richtig, wenn du auch noch was mit wem anderen anfängst". Die Mono-Normativität der Exklusivität, die eine beiderseitige maximale Erfüllung darstellen soll und nur in einem monogamen Kontext funktioniert, ist tief in den Köpfen verankert.
Dabei kann Polyamorie auch eine Affektkette produzieren, die zu einer Intensivierung und Steigerung der ursprünglich empfundenen Liebe gegenüber jemandem führt (Sogenannte poly-affektive Steigerung).
Es kann hilfreich sein, sich über Gefühle, Arten der Polyamorie, Probleme mit anderen in einem geschützten Rahmen auszutauschen.
http://www.polyamorie.de
https://www.facebook.com/groups/polydeutsch/
http://www.polyamorie.de/poly-stammtische-veranstaltungen-74.html
http://www.polytreff.de/termine
https://polyamory.de
Wir bieten Beratung an,
mit dem Schwerpunkt Polyamorie (unter anderem). Du kannst dich an uns wenden, wenn du Fragen hast, Probleme, Unsicherheiten oder du ein schwieriges Thema mit mehreren Partnern gemeinsam unter Anleitung diskutieren möchtest.
Zugegeben, diese Frage ist einerseits eine ziemlich große und andererseits erscheint sie auch absurd, da die meisten Menschen, die sich für eine polyamore Liebesweise entscheiden, damit einhergehend Hierarchien, Normen, Gesellschaftsstrukturen kritisch hinterfragen.
Die Frage ist aber nicht unbegründet. Der kapitalistische Mensch, der auf Selbstoptimierung konditioniert wurde, konsumiert nicht nur Produkte, sondern auch Menschen - und vielleicht auch Liebe? Dating-Apps versprechen den kompatibelsten Partner zu finden, Menschen verlassen Beziehungen auf der Suche nach etwas Besserem statt an Konflikten zu arbeiten.
Konstantin Nowotny beschäftigt sich in seiner Masterarbeit (Soziologie) mit dieser spannenden Frage, ich zitiere das Abstract:
"Es steht schlecht um die romantische Liebe in der westlichen Welt. Überall wo Kapitalismus und Industriegesellschaft auf Hochtouren laufen, wo die Großstädte wachsen und die Märkte florieren, werden die Ehen kürzer und häufiger geschieden, die Kinder seltener und selbst die vorehelichen Beziehung wechselhafter. Da, wo die Religion kaum noch eine Rolle spielt, sinkt die Geburtenrate seit Jahrzehnten unter das Reproduktionslevel, sowohl in Europa als auch in den USA.
Das ist kein rein strukturelles Phänomen. Auch auf der Mikroebene, so scheint es, fällt es den Akteuren zunehmend schwerer, einen Partner fürs Leben zu finden, sich den Kinderwunsch zu erfüllen oder – und das ist im größeren Maße der Fall – das Konzept des lebenslangen Partners oder des Kindes überhaupt beizubehalten. Hartmut Rosa schreibt: »Der Lebensabschnittspartner ersetzt heute tendenziell den Lebenspartner.« Das war 2009. Seitdem ist neben dem Trend zum Liebespaar auf Zeit noch ein weiterer (wieder) in den Vordergrund gerückt: die Polyamorie. Einst als Flausen im Kopf der 68er-Bewegung verurteilt, feiert sie nun ein Comeback. Nicht nur Lifestyle-Magazine wie Neon, auch die Feuilletons der großen deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich mit der Liebe, die mehr als einen Partner kennt, im zunehmenden Maße. Selbst in zeitgenössischen Serien und Filmen sieht man, so scheint es, immer häufiger Paare in offenen oder polyamorösen Beziehungen, von House of Cards bis GZSZ.
Die Liebe und der Kapitalismus. Schon vor Jahren beschäftigte sich die amerikanisch-israelische Soziologin Eva Illouz mit diesem Thema, zunächst in ihrem Buch Der Konsum der Romantik , später systematischer in Warum Liebe weh tut. Darin macht sie einige bemerkenswerte Beobachtungen: Die Romantik ist ein durch und durch kapitalisiertes Konzept geworden. Kaum ein romantisches Ding, das nicht auch als Produkt existiert. Gleichzeitig verfahren Menschen miteinander auch zunehmend in einer Art Ökonomie der Gefühle: Warum noch in einer Beziehung bleiben, wenn sie sich nicht mehr lohnt ? Wo kann man sein Vertrauen mit der größtmöglichen Rendite investieren? Dating-Plattformen wie Tinder treiben diese Wahrnehmung auf die Spitze. Der potentielle (Sex)Partner ist nur einen Wisch mit dem Zeigefinger entfernt. Er kann konsumiert werden und verschwindet danach, je nach Laune, für immer.
Die in der Bearbeitung befindliche Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Thema Polyamorie auf Grundlage einer kapitalistischen Gesellschaftsanalyse. Ausgehend von einem gesellschaftlichen Makrophänomen soll mit unterschiedlichen Konzepten in die Mikroebene eingetaucht werden. Ist Polyamorie ein Symptom einer durchrationalisierten Liebeswelt, oder ist die Monogamie tatsächlich nur ein Residuum der bürgerlichen Tauschgesellschaft, wie Friedrich Engels es einst meinte? Zusätzlich zu Auswertungen von Zeitungen und Zeitschriften werden für die Masterarbeit auch Interviews geführt. Die Teilnehmer müssen dabei nicht selbst polyamoröse Erfahrungen gemacht haben. Präsentiert werden können am Ende nicht nur Zahlen und Fakten zu Formen und Verbreitung von Polyamorie in Deutschland und den USA, sondern auch (anonymisierte) Interviewaussagen und Metaanalysen von Zeitungsartikeln sowie deren theoretische Interpretation – von der Frankfurter Schule bis Rational Choice. Es geht um das schwierige Unterfangen, eine Wertewelt abzubilden und die Logik hinter dem Nutzen von Liebe überhaupt zu ergründen. In einer Welt, in der scheinbar jederzeit alles möglich ist – ist da noch Platz für den einen ?"