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Wer wir sind und was wir wollen (Shibari)

Fushicho • Juli 26, 2019

Es gibt jede Menge Fessel-Schulen und Fessel-Lehrer.
Was macht uns aus? Wer ist Fushicho Shibari, was wollen wir, was leisten wir uns was sind wir nicht?



(Dieser Text ist in generischem Maskulinum verfasst)


Shibari und Western Style Bondage
Wir unterrichten Shibari. Damit grenzen wir uns von "Western Style Bondage" ab.
Shibari macht für uns vordergründig aus, dass der Prozess des Fesseln selbst als die Kunst angesehen wird und nicht nur das Ergebnis.
Wir möchten keine Schwarz-Weiß Dichotomie zwischen Shibari und Western Bondage aufmachen und Ausnahmen bestätigen die Regel, aber Shibari sieht Fesseln nicht rein Zweckorientiert. Es geht nicht (nur) darum, jemanden auf effektive Art und Weise bewegungsunfähig zu machen, sondern - der Weg dorthin ist bereits Hauptbestandteil dessen, was mit Hilfe der Fesselung erreicht werden soll.
Der Prozess des Fesseln ist ein kommunikativer Akt, ein Austausch von Berührungen, Gefühlen und Sehnsüchten.
Das ist es, was Shibari (unter anderem) von Western Bondage unterscheidet. Western Bondage sieht die Fesselung häufig eher als ein Mittel zum Zweck.
Shibari muss kein Mittel zum Zweck (SM-Session/ Sex im Anschluss) sein. Shibari kann für sich alleine stehen. Natürlich kann es auch ein Mittel sein, um jemanden in eine ausweglose Lage zu bringen, um anschließend Sex zu haben, oder eine SM-Session. Aber es ist - wie eben erläutert - vor allem der Prozess der entscheidend ist.

Der Bezug zu Japan
Shibari ist eine japanische Ausrichtung des Fesseln. Auch wenn wir uns für Japan und seine Kultur interessieren, ist unser Lieblingsgericht nicht Sushi und tragen wir nicht andauernd Kimono. Wir möchten nicht versuchen so japanisch wie möglich zu sein oder zu werden. Es ist völlig in Ordnung zum Fesseln einen Kimono zu tragen und es ist auch ein ganz besonderes Trage-Gefühl, aber es ist keinerlei Verpflichtung.
Durch die japanische Herkunft geht es im Shibari auch viel um Ästhetik und den Ausdruck von Emotionen. In der japanischen Tradition ist Shibari vor allem in der erotischen Fotografie und Pornografie umgesetzt worden, immer mit dem Ziel eine Dramaturgie, eine besondere Situation und einen intensiven Gefühlsausdruck abzubilden. Natürlich geht es AUCH um Erotik und um Sex. Der japanische Zugang ist kein rein künstlerischer und wir wollen den japanischen Ursprung auch nicht heroisieren. Aber Ästhetik spielt eine wichtige und große Rolle. Deshalb versuchen wir in unserem Unterricht immer wieder auch ästhetische Prinzipien und philosophische Kulturkonzepte mit einfließen zu lassen. Nicht, um besonders nah an das japanische Vorbild zu kommen, sondern um die Fesselpraxis in einen Kontext zu setzen und erklären zu können, warum sich bestimmte Fesselungen wie entwickelt haben, man mache Fesselungen und Posen besonders häufig sieht und andere weniger.

Die Stilrichtung - Naka Ryu
Innerhalb beider Ausrichtungen - Shibari und Western Bondage - gibt es zig Unterkategorien in die man die Stilrichtungen unterteilen kann. Beim Shibari hört man oft von verschiedenen Ryu. Ryu ist das japanische Wort für Schule. Besonders häufig fallende Begriffe sind zum Beispiel Osada Ryu und Naka Ryu. Dabei sind diese Schulen, nach ihren Inhabern namentlich benannt. Grob kann man die Schulen in moderne und traditionalistische Richtungen unterteilen. In den traditionalistischen Richtungen, wird eher minimalistisch gefesselt, bevorzugt mit Naturmaterialien (Hanf, oder Jute, Bambusse, Holz) in den modernen Ausrichtungen wird unter anderem Performance-orientiert gefesselt und es fließen auch andere Elemente (im schwarzlicht fluoreszierendes Seil, buntes Seil, Karabiner, Ringe, Drehwirbel usw.) mit ein.

Es gibt kein Falsch und Richtig und auch kein Besser oder Schlechter.
Jeder Mensch, der anfängt zu fesseln, findet heraus, was Fesseln für ihn bedeutet und kann sich dann - zum Beispiel beraten durch einen Lehrer der die Vielfalt und Unterschiede aufzeigt - entscheiden welche Richtung er vertiefen möchte. Die Basis-Techniken sind innerhalb der Shibari Schulen-übergreifend ähnlich. Daher besteht keine zwingende Notwendigkeit von Beginn an klar zu wissen, in welche Richtung man als Schüler gehen möchte. Wichtig ist uns jedoch, immer wieder in das reflektierende Gespräch mit unseren Schülern zu gehen und sie darin zu unterstützen herauszufinden, in welcher Stilrichtung sie vielleicht besonders gut aufgehoben sein könnten. Sehr gerne empfehlen wir unsere Schüler auch an andere Lehrer weiter und begrüßen es, wenn sie über den Fushicho-Tellerrand hinaussehen.

Wir sind selbst stilistisch eher im Bereich Naka Ryu verortet. Das bedeutet, dass es nur wenige, dafür aber wichtige und durchaus auch komplexe (trotz vermeintlicher optischer Simplizität) Techniken gibt. Das Naka Ryu ist eher eine traditionalistische Schule, die nicht Performance-Orientiert ist, Bambusse als Suspensionspoint nutzt und mit Hanf-, oder Juteseil fesselt.
Die Ästhetik des Naka Ryu ist minimalistisch und bisweilen dramatisch.

Semenawa - Folter und Schmerz?
Dem Naka Ryu wird der Begriff Semenawa zugeordnet. Seme (jap.) steht in etwas für das englische Wort "torment" was so viel wie "Pein" im Deutschen bedeutet. Nawa (jap.) bedeutet Seil. Semenawa wird fälschlicherweise oft als Folterfesselung angesehen mit dem Fokus darauf, jemandem über das Seil Schmerzen zuzufügen. Dies ist so aber nicht zutreffend, weil zu einseitig betrachtet. Mehr dazu kannst du hier lesen: https://www.fushicho.de/was-ist-semenawa
Unsere Philosophie von Semenawa ist, dass es um Grenzerfahrungen geht. Darum, sich für jemanden hinzugeben und auch hingeben zu wollen, an eine eigene Grenze zu kommen, diese Grenze gemeinsam mit dem Partner zu erfahren und Schritt für Schritt miteinander weiter zu gehen. Dies muss nicht mit quälenden Schmerzen verbunden sein. Auch in starker Restriktion oder einen langen Zeitraum des Verharren kann eine "Pein" liegen. Ebenso darin vorgeführt, entblößt, oder beschämt zu werden.
Semenawa gehört zu unserer Philosophie des Fesselnd zentral dazu. Weil Semenawa etwas ganz intensives bedeutet, eine zutiefst emotionale und intime Verbindung, die über das Fesseln geschlossen wird. Eine Reise an Abgründe und ein gemeinsamer Grenzgang. All das setzt Liebe, Vertrauen, Achtsamkeit und Fürsorge voraus. Keinesfalls Brutalität oder Rücksichtslosigkeit.

Offizielle Instruktoren, Zertifizierungen und warum wir nicht zertifiziert sind
Es gibt in jeder Schule (Hier sind die verschiedenen Ryu gemeint, nicht einzelne Institute) einen Inhaber dieser Schule und dieser benennt offiziell lehrberechtigte Instruktoren.
Diese wiederum zertifizieren teilweise auch eigene Instruktoren. Die Zertifikate kamen auf, um schwarze Schafe auf dem Lehrmarkt besser erkennen zu können. Damit Schüler die Möglichkeit haben, zu sehen, wer sich nur mit Namen schmückt, um seine Workshops besser zu verkaufen und wer diese Inhalte offiziell unterrichten darf.

Solche Zertifizierungen verfolg(t)en ein gutes und berechtigtes Ziel. Allerdings bieten sie auch eine Schattenseite.
Als zertifizierter Instruktor ist man seinem Lehrer und dessen Schule loyal verpflichtet. Man unterrichtet das, was die Schule als Standards vorgibt. Es ist schwierig, eigene Ansätze, oder Techniken anderer Schulen in den Unterricht mit einfließen zu lassen, da man seiner Schule dann gewissermaßen "untreu" würde. Und: Nicht immer entscheidet allein das Fachwissen darüber, wer zertifiziert wird. Auch im Shibari lassen sich Zertifikate kaufen, bestehen Vetternschaften und Klüngeleien. Zu guter letzt: Ein Zertifikat bestätigt zunächst nur ein technisches Vermögen eines Lehrers innerhalb einer spezifischen Stilrichtung. Nicht jedoch seine pädagogischen, didaktischen und sozialen Kompetenzen. Zudem gibt es jede Menge Stilrichtungen/Schulen, die überhaupt keine Zertifizierungen anbieten, aber deshalb nicht schlechter sind, als jene die zertifizieren oder Mainstream sind.

Ganz grundsätzlich: Wer als Lehrer höflich sein möchte, benennt in seinem Unterricht immer, wo er selbst gelernt hat und von wem die gezeigte Fesselung ursprünglich stammt. Zudem betont ein höflicher Lehrer, dass er stets sein eigenes Verständnis dieser Technik wiedergibt und keinen Anspruch erhebt, das einzig wahre Original zu zeigen. Er benennt seine Kurse daher beispielsweise "Inspiriert nach Akira Naka/ Osada Steve/ Gorgone/ u.v.m.". Dabei sollte sein Ziel nicht sein, über den berühmten Namen im Workshop-Titel mehr Buchungen des Workshops zu erzielen, sondern zu verdeutlichen welche Ausrichtung der Inhalt des Workshops haben wird.

Die genannten Schattenseiten sind Gründe für uns gewesen, uns gegen eine mögliche Zertifizierung zu entscheiden. Also dagegen, gezielt mit einem Lehrer einer spezifischen Schule solange zu trainieren, bis eine Zertifizierung in Aussicht gestellt werden würde.
Böse Zungen würden vielleicht sagen, dass es sich leicht behaupten lasse, man wolle ja gar kein Zertifikat, wenn man vielleicht einfach nur nicht talentiert genug sei. Nun gut. Wir sehen das für uns etwas anders:
Wir möchten in unserem Unterricht die Freiheit haben, alle Techniken und Kenntnisse so miteinander zu verbinden, wie sie uns am wertvollsten und sinnvollsten erscheinen, unabhängig davon, wer sie erfunden hat oder welcher Stilrichtung sie angehören. Und wir möchten die Freiheit haben, von den Menschen zu lernen, die uns aktuell am meisten inspirieren. Wenn wir auf unsere letzten 6 Jahre zurückblicken, haben wir in ganz unterschiedliche Stile und Schulen geschaut und in vielen auch intensive Lernzeit verbracht. Schnell war uns zwar klar, dass das Naka Ryu unser Herz höher schlagen lässt, aber vor 6 Jahren waren dort noch ganz andere Instruktoren unsere Hauptinspirationsquelle als heute. Die Welt des Fesseln entwickelt sich und wächst und verändert sich und wir möchten mobil bleiben, um unser Unterrichten an unsere persönliche Entwicklung anpassen zu können.

Diese Unabhängigkeit ermöglicht uns auch, uns aus den vielen Diskussionen (online und offline) darüber, wer oder was denn nun das "echte" oder das "richtige" oder "bessere" Shibari sei rauszuhalten. Ebenso müssen wir keine Partei ergreifen, in welches "Lager" und zu welche Gruppe von Lehrern wir uns international zugesellen. Das ist nämlich eine Seite der Medaille der Fessel-Community, die uns schon immer furchtbar genervt hat. Diese ständigen Vergleiche, wer nun welches Zertifikat hat, wer wie viele Stunden bei wem gelernt hat, wer was besser kann und überhaupt, wer mit wem am engsten befreundet ist und die meisten Insider kennt. Hey! Es geht darum einen Partner zu fesseln und dabei Spaß, Freude, Erotik zu empfinden. Und das ganze so zu praktizieren, dass niemand Schaden nimmt. Es ist doch kein politisches Parkett!

Und was unterrichten wir jetzt? Was kann man bei euch lernen?
Für uns gibt es nicht den einen Weg. Das hat nichts damit zu tun, dass wir entscheidungsunfähig wären oder versuchen wollen die eierlegende Wollmilchsau zu sein. Die sind wir auch nicht, denn es gibt einige Dinge, die wir nicht unterrichten würden (Bondage als Zierfesselung oder Kleidung, oder Self-Suspensions z.B., nicht weil das was schlechtes wäre, aber weil es nicht UNSER Ding ist).
Es hat eher etwas damit zu tun, dass wir Shibari als eine intime Praxis zwischen zwei Menschen begreifen und so viele verschiedene Menschen wie es auf der Welt gibt, genauso viele unterschiedliche Wünsche, Begehren, Bedürfnisse und Intentionen gibt es beim Fesseln. Wir möchten Schüler darin unterstützen diese Wünsche, Sehnsüchte und Begehren zu erkennen, zu betrachten und mit Hilfe des Werkzeug Seil umsetzen, aus-, und erleben zu können. Wir möchten Schüler dabei unterstützen, dass sie ihre Fesselzeit mit ihrem Partner als erfüllend und inniglich empfinden. Und dafür gibt es nicht den einen Weg.

Hinzu kommen gänzlich unterschiedliche anatomische Bedürfnisse von Menschen. Und auch wenn sicherlich jede Schule bemüht ist, ihre Fesselungen an die jeweiligen Menschen anzupassen, so sind die "offiziellen" Möglichkeiten im Naka Ryu beispielsweise begrenzt. Mit offiziell meinen wir, dass Akira Naka selbst, seine Instruktoren oder auch deren zertifizierte Instruktoren zum Beispiel nur sehr selten mit Alternativfesselungen (neben TK und Strappado) fesseln. Sicherlich wird keiner von ihnen verbieten sie zu verwenden, aber es ist eben untypisch und zerstört für manch einen auch die angestrebte Ästhetik.
Uns ist es wichtig, klassische Ästhetik auch mit unkonventionellen Fesseltechniken umzusetzen und dabei neue Wege zu gehen. Deshalb lehren wir standardmäßig bei uns sowohl eine TK, als auch eine Oberkörperfesselung mit den Armen vor der Brust (Jiai) und einen Chest-Harness bei dem die Arme frei bleiben (Hishi). Damit geben wir unseren Schülern die Möglichkeit selbst entscheiden zu können, welche Fesseltechnik / Suspension sie mit welcher Oberkörperfesselung umsetzen.

Schüler als Visitenkarte (?)
Selbstverständlich bringen wir unseren Schülern bei, was unsere präferierten Techniken und ästhetischen Umsetzungen sind. Begründet. Nicht mit dem Autoritätsargument, dass wir - die Lehrer - das eben so finden.
Aber wir möchten ihnen die Freiheit lassen, von unseren Präferenzen abzuweichen. Wir möchten uns nicht als Lehrer über unsere Schüler in Form von Visitenkarten identifizieren. Keiner unserer Schüler ist eine Kopie unserer Art zu fesseln. Das ist auch gar nicht wichtig für uns.
Es mag manch einen Schüler geben, von dem ein Außenstehender denkt "oh Gott wo hat der das denn gelernt" und in dieser Momentaufnahme mag dieser Schüler keine Glanzleistung gefesselt haben. Aber was die Außenstehenden nicht sehen ist der Weg, den dieser Schüler zurückgelegt hat. Und vielleicht war der schon ganz schön lang. Rein von seiner in jenem Moment dargebotenen Fesselung wäre dieser Schüler vielleicht keine gute Visitenkarte gewesen. Betrachtet man aber den Weg, den die Lehrer mit ihm bestritten haben gegebenenfalls schon. Und deshalb ist es sinnlos, sich über die Leistungen seiner Schüler profilieren zu wollen, weil es schlichtweg keinen Bewertungsstandard geben kann, außer meine eigenen Maßstäbe anzulegen. Sicher gibt es (viele) Schüler auf die wir enorm stolz sind. Aber das muss gar nicht unbedingt darin begründet sein, dass sie etwas genauso fesseln wie wir. Das kann auch darin begründet sein, dass sie sehr mutig, sehr kreativ, sehr diszipliniert oder sehr akkurat sind.
Wir möchten Menschen individuell auf ihrem Weg begleiten ohne, dass sie einem gezielten Vorbild nacheifern und ohne, dass es nur noch um Leistungen geht. Fesseln soll kein Versuch sein, einem vermeintlichen "Original" besonders nah zu kommen.
Fesseln soll eine aufrichtige, innige, intensive und erotische Spielart zwischen zwei Menschen sein.
Und dazu gehört auch lernen, und auch Disziplin, und auch Scheitern und auch frustriert sein und auch Lernziele. Aber Leistungen sollten nicht permanent im Fokus stehen.

Kapieren statt Kopieren - Unser Grundsatz
Vordergründig bringen wir unseren Schülern bei, zu verstehen, was sichere und was unsichere Fesselungen sind. Sicher/Unsicher sind die einzigen dogmatischen Kategorien derer wir uns bedienen. Denn Sicherheit steht an oberster Stelle. Ansonsten finden wir dogmatische Ansätze ziemlich blöd.
Um zu verstehen, welche Fesselung sicher ist (und warum) und welche unsicher (und warum) arbeiten wir nach einem großen Grundprinzip: kApieren statt kOpieren. Ein kleiner Buchstabe, der einen riesigen Unterschied macht. Wir möchten nicht, dass unsere Schüler einfach kopieren, was wir ihnen zeigen und das dann unreflektiert als gesetzten Standard ansehen, sondern, dass sie kapieren, warum, wann wieso, wie wir etwas machen. Dass sie verstehen, bei welcher Seilkreuzung welche Friction Sinn macht, bei welcher Suspension-Line welcher Lock-Off, wann welches Pattern einsetzbar ist, usw. Damit sie in Zukunft, wenn sie von gelernten Fesselkombinationen abweichen, eigenständig und souverän entscheiden können, ob das was sie tun sinnvoll und sicher ist.

Natürlich wäre es betriebswirtschaftlicher Schüler bis in alle Ewigkeit kopieren zu lassen, sodass sie für neuen Input immer neue Kurse buchen müssen. Aber das widerspricht unserer Philosophie und würde uns auch den Spaß am Lehren rauben. Es macht viel mehr Spaß mit reflektierten, Rückfragen stellenden Schülern zum arbeiten. Wir möchten Schüler in keiner Weise von uns abhängig machen. Sondern ihnen das Rüstzeug vermitteln, eigenständige Entscheidungen treffen und selbst-erdachte Fesselungen umsetzen zu können.

Didaktisches System
Hinter all dem steht natürlich ein didaktisches System. Und innerhalb unserer Kurse ist dies auch der Standard, der umgesetzt werden soll und den wir von unseren Schülern erwarten.
Dieses didaktische System hat sich aus zig Jahren Lehrerfahrung entwickelt und verändert sich in einem konstanten Verbesserungs-, und Evaluationsprozess weiter. Wir arbeiten stetig daran, einen roten Faden durch all unsere Lehreinheiten zu ziehen und jeden Schritt sinnvoll und logisch aufeinander aufbauend zu gestalten. Dabei kombinieren wir in jedem Unterricht technisches Wissen, mit psychologischen Aspekten, Anatomie und Körperkunde, Techniken des Bewegens eines Körpers und des manipulieren eines Körpers. Wir versuchen ganzheitlich zu unterrichten und Technik, Emotion, Physis und Psyche zu betrachten.

Natürlich gibt es auch in unserem Unterricht viele Situationen in denen wir etwas auf unsere Art demonstrieren, die dann zunächst der vorgegebene Standard ist. Aber dann dazu sagen, dass es auch auf die Art X, Y, Z umgesetzt werden kann. Dabei erläutern wir stets, worin sich die verschiedenen Umsetzungen voneinander unterscheiden und was deren jeweiligen Vor-, und Nachteile sind. Auch hier gilt: Kapieren, statt Kopieren.

Diversität / Sichtbarkeit von Minderheiten
Unser letztes, aber vielleicht übergeordnet größtes Anliegen: Diversität! Wir möchten ALLEN Menschen Zugang zum Fesseln ermöglichen. Uns ist wichtig, Lösungen für jeden Menschen zu finden. Die Gründe können vielschichtig sein: Operationen, Handicaps, Ängste, Schmerzempfinden, eingeschränkte Mobilität oder Übergewicht. Es gibt keine pauschalen Ausschlusskriterien dafür gefesselt werden zu können, oder fesseln zu erlernen.
Es ist uns sehr wichtig, auf sexuelle Vielfalt, Geschlechter-Identifikationen und die oben genannten Bedürfnisse einzugehen. Wir versuchen, auch online dazu beizutragen eine diverse und bunte Fesselwelt abzubilden. Weg von einem heteronormativen Mainstream der junge, schlanke Frauen gefesselt zeigt. Wir versuchen junge, alte, dicke, dünne Menschen jeder sexuellen und geschlechtlichen Orientierung zu zeigen.
Wir haben bei uns einen safe-space errichtet in dem ein respektvoller und achtender Umgang gelebt wird und in dem sich jeder so ausleben darf wie er möchte.

Und was macht uns sonst noch aus?

  • Unsere Gruppen-Lernangebote sind von kleiner Größe. Auf 5 Paare kommen immer 2-3 Instruktoren.
  • Hohe Fachkompetenz (unsere Lernreferenzen sind auf der Homepage unter Shibari einsehbar) sowohl auf fesseltechnischer als auch sonstiger Ebene (Psychologie, Ergotherapie, Krankenpflege, Kampfsport).
  • Sicherheitsstandards: Statisch geprüfte Balkenkonstruktion, TÜV geprüfte Karabiner und Bandschlingen, regelmäßige Kontrolle aller Materialien und Bambusse, rutschfester Boden, mehrere Schneidewerkzeuge in Sicht-, und Reichweite.
  • Bei vielen Kursen stellen wir euch Handouts, Lernjournale oder Skripte zur Verfügung, die die Inhalte zusammenfassend dokumentieren.
  • In unserem Dojo herrscht eine warme und geerdete Atmosphäre. Wir versorgen euch mit Snacks und Getränken und wählen bei unseren Veranstaltungen alle Teilnehmer mit Bedacht aus, damit harmonische Gruppen entstehen.
  • Wir nehmen uns viel Zeit dafür, Vor-, und Nachgespräche zu führen, euren Lernfortschritt zu dokumentieren um immer alles abrufbar zu haben und führen im Unterricht regelmäßig Feedbackgespräche in denen ihr eine Rückmeldung zu eurem Lernstand bekommt.
  • Sauberkeit und Hygiene sind uns sehr wichtig. Desinfektionsmittel, abwaschbare Matten und gereinigte Leihseile könnt ihr immer erwarten.
  • Enge und persönliche Betreuung auch abseits des Unterrichts. Wenn ihr zu Hause übt und Hilfe braucht, oder einen Tipp sind wir immer erreichbar, schicken euch schnell ein kleines Tutorial, erklären euch die wichtigsten Schritte oder sind per Video erreichbar. Wenn ihr nach einem Fesselerlebnis Gesprächsbedarf habt: Wir sind da.
  • Wir sind echt! Denn wir sind der Meinung, dass Shibari etwas ziemlich intimes lernt. Und wir als eure Lehrer dürfen an eurer Intimität teilhaben, aber ihr genauso an unserer. Wir sind echt in unserem Sein, unserer Persönlichkeit und Beziehung. Nahbar. Nicht einfach nur Geschäftsführer.


von Victoria Fushicho 29 Mai, 2024
Jörg und ich waren über Pfingsten zu Gast im Karada House in Berlin und Teilnehmende, bei dem dort stattgefundenen Semenawa Workshop, welcher von Naoko und ihren Modellen gehalten wurde. Das Karada House ist ein von mehreren Personen geführter queerer Ort für LGBTQIA+ Personen und anderen Menschen marginalisierter Gruppen. Sowohl Jörg als auch ich, verarbeiten dieses Wochenende noch immer, sowohl inhaltlich als auch emotional. Dennoch möchte ich meine Erfahrungen und die durch das Wochenende angestoßenen Gedanken mit euch teilen. Dieser Eintrag widmet sich allein den Eindrücken, welche ich im Space von Karada House gemacht habe und weniger dem Workshop oder den Inhalten. Vor jedem Workshop den wir besuchen, verspüre ich immer eine Aufregung und auch eine Art Unsicherheit, bezüglich der Tage die auf mich zukommen, der Menschen welchen ich begegne und letztlich auch ob ich als Modell „gut durchhalte"- was auch immer gut durchhalten bedeutet. Dieses Mal war ich nicht weniger aufgeregt, doch meine Unsicherheiten waren nebst den bekannten auch andere; bin ich achtsam genug, bin ich überhaupt queer oder marginalisiert genug dort zu sein, was, wenn ich versehentlich Menschen falsch lese oder misgendere…ihr könnt es euch vorstellen, mein Stressball war auf Anschlag. Kleiner Einschub, ich habe eine Person misgendert, mich korrigiert und mich bei der Person entschuldigt- Fehler passieren- das ist nicht das Ende der Welt, unser Umgang in so einer Situation entscheidet allerdings ob sich die betroffene Person mit uns sicher fühlt oder nicht. Ich habe das Karada House als offenen, gemeinschaftlichen Ort erlebt, indem ich mich eingeladen fühlte einfach sein zu können und was ich mitzubringen hatte vollkommen ausreichend war. Ein Ort des Austausches, des Wohlwollens, weg von Konkurrenz und einer Instagram/ „wir fesseln nur für Fotos" Mentalität. Einen Ort an dem sich die Menschen nacheinander in den Pausen erkundigten. „Was ist dein Bedürfnis? Brauchst du was? Hast du genug gegessen/ getrunken? Möchtest du dich zurückziehen?“ Noch nie habe ich einen Space besucht, welcher so divers war, wie dieser- schön und auch schade zugleich. Das soll keine Lobhudelei darauf werden wie toll alles war, durchaus gab es Dinge, die ich persönlich anders machen würde, dennoch hat sich mein Aufenthalt sicher für mich angefühlt- ich war durchaus oft von den Eindrücken überfordert, aber ich habe mich sicher und für dieses Wochenende, als Teil einer Community gefühlt. Keinesfalls möchte ich andere Spaces oder Veranstaltungen herabsetzen, dennoch wirft dieses Wochenende in Berlin unweigerlich die Frage danach auf, was mir in anderen Spaces und Veranstaltungen gefehlt hat?! Welche Verantwortung haben wir als Veranstaltende, wenn es darum geht den organsierten Workshop und oder den Space sicherer zu machen? Wie werden Menschen einbezogen, eingeladen, angesprochen? Werden sie überhaupt inkludiert? Ein Space, ein Workshop oder eine Veranstaltung werden nicht sicherer, weil man sich ein Label aufgeklebt hat, Communities entstehen nicht einfach von alleine, weil Menschen mit einer gemeinsamen Leidenschaft zusammenkommen und es fühlen sich auch nicht alle Menschen angesprochen weil auf einer Homepage die Floskel „hier sind alle willkommen* steht - dazu fällt mir ein Zitat ein, ich weiß leider nicht mehr von wem „werden Menschen nicht aktiv einbezogen, werden sie passiv ausgeschlossen...* Mir ist durchaus auch klar, dass Vielfalt etwas ist, welches sich natürlich entwickeln muss und die Diversität in Spaces hängt nicht selten von der jeweiligen Verortung ab. Doch, einen Space zu eröffnen, Workshops zu hosten, Veranstaltungen zu organisieren, ist ein wichtiger Anteil innerhalb der Szene, dem Macht und vor allem Verantwortung innewohnt. Wir bereiten die Basis dafür, dass sich Menschen bei uns wohl, geschützt und gesehen fühlen. Wir haben Einfluss darauf wer Zutritt erhält, wie mit Konflikten umgegangen wird und ob und wie Konsequenzen bei Missachtung oder Fehlverhalten resultieren. Und wir sollten mit gutem Beispiel voran gehen, einen Werte und Ethik Kompass zu etablieren, an dem sich andere orientieren können und den wir ungeachtet freundschaftlicher Beziehungen zu anderen innerhalb der Szene auch einhalten. Ich werde von den Eindrücken dieses Wochenendes noch eine Weile zehren, fand viel Bestätigung in unserer eigenen Art einen Space zu führen und konnte positive Dinge für uns mitnehmen. Solltet ihr mit dem Gedanken spielen, dass Karada House einmal zu besuchen/ einen Workshop dort zu besuchen, TUT ES.
von Fushicho 15 Jan., 2024
Basic Infos für alle Menschen, die mit dem Fesseln beginnen von Seilmaterialien über Verletzungspotentiale und Konsens Kultur.
von Lecia Fushicho 11 Nov., 2023
Muganawa - Vollkommen präsent im Moment sein und ohne Ziel und ohne festes Bild fesseln
von Fushicho 27 Juni, 2023
Zu alt, zu arm, zu queer, nicht queer genug – auch wenn Lesben, Schwule, bisexuelle, trans* oder inter* Menschen unter sich sind, fühlen sich nicht alle gleichermaßen willkommen und respektiert. Victoria spricht in diesem Podcast über ihre Erfahrungen innerhalb der queren Community, über schwarz sein und Tokenism, über Pansexualität und Sexualisiert werden, über Polyamorie und Slut-Shaming. Über White Passing und darüber, dass Schwarz keine Farbe ist. Vor allem aber darüber, dass ALLE Menschen lernen sollten einander zuzuhören, in einen echten Dialog miteinander zu gehen, voneinander zu lernen, übereinander zu lernen und niemand jemals "perfekt anti-diskriminierend" sein wird.
von Fushicho 07 Feb., 2023
Mit anderen Frauen Sex haben ist völlig okay, aber mit einem anderen Penis nicht? Warum das ziemlich unlogisch ist erklären wir dir hier im Beitrag zur One Penis Policy.
von Fushicho 07 Feb., 2023
Was macht Sexualität aus und was macht Intimität aus? Oftmals wird in einer Beziehung vorausgesetzt, das klar ist wie der gemeinsame Sex oder die gemeinsame Intimität aussehen. Meistens lohnt es sich darüber zu sprechen!
von Fushicho 07 Feb., 2023
Eifersucht in offener oder polyamorer Beziehung ist ganz normal. Sie ist ein Gefühl wie jedes andere auch und möchte dir etwas über deine Ängste und Bedürfnisse mitteilen.
von Fushicho / Sexualberatung 27 Jan., 2022
Theoretisch haben wir alle in der Schule gelernt, dass es sexuell übertragbare Krankheiten gibt, welche das sind und wie man sich schützen kann. Ja. Theoretisch. Mehrheitlich waren diese Unterrichts-Situationen doch eher unangenehm, man war froh, wenn das Thema durch war und dachte sich: 1.) Wird mir schon nicht passieren ich bin ja informiert 2.) Wenn ich darauf achte Kondome zu nutzen, geht es schon gut 3.) Das betrifft ja nur Leute, die rumhuren Zu 1.: Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat 2016 die " Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen “ vorgestellt. Im Rahmen dieser Strategie wurde eine Umfrage zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD) unter knapp 5.000 Teilnehmern zwischen 18 und 75 Jahren durchgeführt. Ein Teil dieser Studie beschäftigt sich mit der Bekanntheit verschiedener sexuell übertragbaren Infektionen. HIV/AIDS war mit Abstand die bekannteste STI (71 Prozent). Danach folgt mit knapp 40 Prozent Gonorrhö (auch Tripper genannt) und mit gut 30 Prozent Syphilis. Etwa jedem zehnten Deutschen sind Chlamydien, Genitalherpes und Hepatitis B als Geschlechtskrankheiten geläufig. Seltener wurden Genitalwarzen, Filzläuse und Trichomonaden genannt. Vergleichen wir diese Ergebnisse mit den häufigsten Geschlechtskrankheiten Deutschlands: Chlamydien Trichomonas vaginalis Gonokokken /Gonorrhö (Tripper) Sowohl Chalmydien, als auch die Trichomonaden sind nur mindestens jedem zehnten Deutschen geläufig. Das ist ein Missverhältnis zwischen Häufigkeit und Bekanntheit. Zu 2.: Kondome schützen sicherlich vor vielen sexuell übertragbaren Krankheiten. Allerdings können die Erreger auch über den Mund und die Hände übertragen werden, wenn diese Kontakt mit Genitalien haben. Der Blowjob gehört zu den zweit-beliebtesten Sexualpraktiken, wird aber nur in sehr seltenen Fällen mit einem Kondom praktiziert. Dass es für Oralsex an der Frau auch "Kondome" gibt, sogenannte Lecktücher (alternativ funktionieren auch aufgeschnittene Gummihandschuhe/ Frischhaltefolie) ist nur wenigen bekannt. Sich alleinig auf das Verwenden von Kondomen bei penetrativem Sex zu verlassen ist also keine gute Idee. Zu 3.: Das ist eine extrem Vorurteils-Behaftete Vorstellung. Geschlechtskrankheiten haben nichts damit zu tun "rumzuhuren" und dieser Begriff assoziiert, dass Huren (SexarbeiterINNEN, Prostituierte) grundsätzlich "schmutzig" und mit einem Risiko sich zu infizieren versehen wären. Das ist ein Stigma. Und es entspricht keiner Realität. Jeder Mensch, der Sex hat, kann sich auch mit einer sexuell übertragbaren Krankheit infizieren. Punkt. That's it. Genauso, wie jeder Mensch eine Magen-Darm-Grippe, oder eine Erkältung bekommen kann. Viren/Bakterien machen uns krank. Und in der Regel ist das ganze behandelbar. Wir sollten also dringend normalisieren, dass sexuell übertragbare Krankheiten weder selten, noch schmutzig, noch Zeichen von "Rumhurerei" sind.
von Fushicho / Paarberatung 23 Jan., 2022
Ein häufiges Thema in meinen Beratungen ist, dass Paare berichten die verschiedenen Ebenen, die sie miteinander teilen, also zum Beispiel Eltern sein, Liebende sein, Sexualpartner sein nicht zufriedenstellend leben können. Oft dominiert vor allem eine funktionale Ebene und andere sinnlichere Ebenen geraten in den Hintergrund, es entsteht ein Mangelgefühl und eventuell auch Frustration. Letztere vor allem dann häufig, wenn die sexuelle Ebene nicht mehr so präsent ist. Besonders eine BDSM-Ebene geht im Beziehungsalltag schnell unter. Irgendwie erscheint nie der richtige Zeitpunkt oder Kontext, um jetzt in die Rollen des Dominanten/ Submissiven zu schlüpfen. Hier empfehle ich Paaren oft, Rituale zu schaffen, die ihnen ermöglichen ihr individuelles Machtverhältnis zu spüren und erleben. Sei es das Anlegen eines Schmuckstückes, das Anleinen zur Nacht, die Servier-Reihenfolge beim Abendessen, ein Kaffee der gebracht wird, ein Knien Abends vor dem zu Bett gehen, und viel mehr was möglich wäre. Solche Rituale lassen sich i.d.R. in den Alltag einbauen und schaffen so Raum sich auch Abseits einer funktionalen Rolle zu erfahren. Hilfreich kann außerdem sein, zunächst einmal im Rahmen der Beratung auseinander zu dividieren, welche unterschiedlichen Rollen jeder jeweils überhaupt inne hat, was diese Rollen ausmacht und - im nächsten Schritt aber auch: Wie malt sich der Rolleninhaber diese Rolle aus, welche Rollenerwartungen werden aber auch an ihn gestellt. 

Dieser Abgleich von eigener Rollenvorstellung und den Rollenerwartungen des Partners führt meistens zu einem besseren Verständnis zwischen den Paaren und einer Erkenntnis, woher Konflikt-, und Streit-Dynamiken rühren. Im Anschluss daran lassen sich sowohl Wünsche und Bedürfnisse der Partner, als auch passende Situationen für die jeweiligen Rollen formulieren.
von Fushicho 19 Okt., 2021
Seit über 10 Jahren bin ich in der Welt des BDSM aktiv und habe die unterschiedlichsten Facetten dieser schillernden Welt bewundert, bestaunt, betrachtet und für mich entschieden, was ich davon toll oder persönlich nicht so toll finde. Und seit ein paar Jahren nutze ich dieses Wissen auch in meiner Arbeit, sei es als Fessel-Lehrerin oder als Sexual Coach. Ich finde es persönlich sehr wichtig, als Coach in diesem Bereich nicht nur theoretisches Wissen zu haben, sondern auch Selbsterfahrung. Und wenn ich eine Sache sicher weiß, dann dass man nie auslernt, denn Sexualität verändert sich - im Lauf des Lebens, des Alterns, abhängig von Partnern und Lebensumständen. Als ich mich entschied mit meinem Partner am Workshop "Feuer" von Kristina Marlen teilzunehmen, wusste ich nur zwei Dinge: 1.) Kristina Marlen ist eine von mir vielfach bewunderte Frau und allein deshalb wird sich lohnen von ihr zu lernen 2.) Es würde mein erstes Mal in der Rolle der Teilnehmerin werden und ich war ziemlich nervös Und dann gab es auch noch eine dritte Ebene, die aber vor allem eine rein hypothetische Meta-Ebene war, nämlich die, wie mein Partner und ich wohl in der Semi-Öffentlichkeit funktionieren würden. Immerhin ist es ein ziemlich großer Unterschied, privat zu Hause in die Welt des BDSM einzutauchen, oder vor anderen - bis dato fremden - Menschen miteinander in ein intensives Spiel zu gehen. Oder sogar mit anderen? Und was wäre, wenn ich meinen Partner, den ich bisher als sehr souverän und authentisch empfand plötzlich als unsicher erlebe? Klar, das ist menschlich, aber würden wir auch damit umgehen können innerhalb unseres D/s Verhältnis und während wir gerade in einer komplett neuen Situation sind, die uns potentiell beide verunsichert? Und ist es eigentlich sinnvoll in einer so frischen Beziehung an einem Workshop teilzunehmen? Ich habe beschlossen, all diese Überlegungen für einen Ausflug in den Wald zu schicken und stattdessen einfach offen und frei für jede Erfahrung zu sein die zu mir kommt, denn wenn sie eines immer sicher tun, dann dich selbst weiterbringen. Gerade in der Wahrnehmung der inneren Widerstände, Grenzen und dem Gefühl des Unbehagen liegt sehr viel Kraft zu wachsen, sich selbst besser zu erkennen und sich zu entwickeln. Und so betrat ich Samstag Morgen den Raum und wurde direkt in eine Situation geworfen, die mich vor wenigen Jahren noch in Bedrängnis gebracht hätte. Tanzen am Morgen - einfach so - mit völlig Fremden - Jetzt - auf Knopfdruck. Und alle machten das auch ganz frei und fröhlich, während ich innerlich dachte "Bitte nicht, ich möchte mich setzen, meinen Tee trinken und in meiner Beobachter-Rolle fühle ich mich eigentlich sehr wohl". Ich bin nicht zum mitmachen gezwungen worden, aber die Selbstverständlichkeit und Fröhlichkeit aller Tanzenden hat mich einfach mitgerissen. Aus Tanzen wurde auf dem Boden kriechen, sich fangen, übereinander kriechen, nebeneinander, ein ganzer Haufen kriechender Menschen. Fremder Menschen! ABER ich war auch plötzlich ganz körperlich präsent. Hatte gar nicht mehr das Bedürfnis nach einer Beobachter-Rolle, sondern wurde souverän damit körperlich präsent zu sein, mich körperlich zu zeigen, auszudrücken, ganz ohne Kopf und das war eine ziemlich gute Erfahrung die mich denken ließ "Wow, das ist klug, direkt zu Beginn des Workshops mit allen Unsicherheiten brechen und die Teilnehmer mitreißen in die Körperlichkeit und die Aktivität zu gehen, damit das keine lahme Gruppe wird wo jeder erstmal nur guckt aber nichts macht". Ich muss an dieser Stelle aber auch ergänzen, dass es sich allein deshalb lohnen könnte, das Tanzen mitzumachen, weil Kristina Marlen ganz sicher die Königin des Körper-Ausdrucks ist und ich bereits vor JAHREN, als ich sie das erste Mal auf einer EURIX (European Rigger Exchange - Festival in Berlin) wahrnahm beeindruckt und ein bisschen angeturnt war, wie gut sie sich bewegt und wie sehr ihr Körper spricht, ganze große Geschichten werden da erzählt. Im weiteres Tagesverlauf beschäftigten wir uns mit Grenzen, vor allem damit, dass Grenzen nicht nur etwas mit Nein-Sagen zu tun haben, sondern vor allem auch mit Ja-Sagen! Es reicht nicht aus, bloß zu wissen was man alles nicht will, es ist ebenso wichtig enthusiastisch sagen zu können, was man ganz unbedingt will. Diese Übung habe ich am meisten gemocht, denn es ist ein allgemeines Problem, dass nicht nur Stellenwert in der Sexualität hat, dass Menschen sehr oft nicht wissen, was sie wirklich wollen, was ihre Herzen begehren, wozu sie im Leben AKTIV Ja sagen wollen. Die Übung war wichtig, um Grenzbewusstsein und Achtsamkeit im Umgang damit bei allen Teilnehmern nochmal zu schärfen, gleichwohl die Gruppe von Beginn an sehr achtsam auftrat. In einer anderen Übung lernten wir unsere Hände als vielfältige Schlaginstrumente kennen und da war ich persönlich überrascht auf wie viele Arten ich Schlagwerkzeuge mit meinen Händen imitieren kann. Der Tag endete mit einem - bewusst sportlich gehaltenen - Zirkeltraining, mehreren Stationen mit thematisch sortierten BDSM-Elementen (Flogging / Caning / Wachs / Fixierung) die man zu zweit ausprobieren konnte, um für sich rauszufinden, was einem Lust bereitet und was nicht. Für diese Übung wurde sehr viel Zeit eingeräumt, was ich sehr angenehm fand. Wo mein Partner und Ich am Vormittag die Chance genutzt hatten uns auch mit anderen Menschen auszuprobieren (denn wir waren das einzige Paar, dass mit bestehender D/s Konstellation in den Workshop kam) und diese Chance auch sehr genossen haben, denn man lernt mehr, wenn man aus Mustern ausbricht und neue Dinge mit unbekannten Menschen vorsichtig und langsam ausprobiert, haben wir das Zirkeltraining gemeinsam gemacht. Denn es sollte uns in unserer Beziehung Aufschluss darüber geben, was wir miteinander intensiver ausprobieren wollen. UND ich persönlich hätte mir gar nicht vorstellen können in eine - teilweise mit Schmerz verbundene - Intensität mit anderen Menschen zu gehen, in mir wäre es nur zu Abwehrreaktion gekommen, was einerseits daran liegt, dass ich nicht masochistisch bin (der Schmerz selber löst in mir keine Lust aus - nie / einzig und allein dass ich das FÜR jemanden aushalten möchte/muss, dass jemand mich dazu zwingt, usw. bereiten mir Lust) und andererseits daran, dass ich - wie ganz viele Menschen - auch traumatische Anteile in mir habe, die es mir schwer machen, in eine solche körperliche Intensität mit Fremden zu gehen. Das war aber völlig unproblematisch, dass wir dort dann als Paar interagiert haben und für uns super aufschlussreich im Labor-Modus zig Spielzeuge auszuprobieren und zu bewerten. Kristina Marlen und ihr* Partner* waren die ganze Zeit über präsent, in ruhiger, zulassender, Raum gebender Art und Weise. Jederzeit ansprechbar, aber nie aufdrängend. In den Demonstrationen - die wirklich schwierig für Workshopleiter sind, denn ad hoc mit seinem Partner in eine intime Situation switchen und währenddessen einem Kurs auch noch etwas erklären, ohne die Aufsichts-, und Fürsorgepflicht gegenüber dem Partner zu vernachlässigen ist schwer - waren beide so wunderbar echt, nahbar, witzig und das tat gut, denn BDSM muss wirklich nicht so ernst sein, es ist auch nur eine Facette der Sexualität, bei der man lachen und Spaß haben darf. Die Stimmung im Raum war leicht, annehmend, frei, sexpositiv, neugierig, geschwängert von "Ah's" und "Oh's" und fiependen und stöhnenden Lauten. Ein ganz wunderbarer Raum! Mein Abend setzte sich intensiv fort, denn der Tag war so anregend, dass mein Partner und Ich zwar müde und körperlich erschöpft waren, aber dennoch nicht davon abgehalten werden konnten, noch eine sehr intensive Session miteinander zu teilen. Tag zwei begann erneut mit Tanzen und aufwärmen (ich hatte mich nun schon damit angefreundet, ein schneller Prozess :-) ) um sich dann den Techniken des Floggings zu widmen. In unterschiedliche Teil-Übungen aufgedröselt bekam jeder Teilnehmer die Möglichkeit sich an beiden Enden des Floggers zu erleben. Ein theoretischer Vortrag zu Pain-Processing und sich daran anschließende Mikro-Übungen zur körperlichen Erfahrung vervollständigten die Toolbox um dann nach der Mittagspause gerüstet zu sein, für eine "richtige" Session. Alle Workshop-Teilnehmer zogen sich sexy Klamotten an (wobei ich kritisch anmerken müsste, dass die Männer da sehr viel Luft nach oben hatten, diese blieben nämlich mehrheitlich im Sport-Outfit *zwinker*) und richteten sich Session-Plätze ein mit ihren Wunsch-Tools, die sie verstärkt ausprobieren und einsetzen wollten. Der dominante Part, war jetzt in völliger Service-Rolle, es sollte nicht darum gehen, dass der dominante Part seine Fantasien durchsetzt, sondern den empfangenen Part damit beschenkt, dessen Fantasien zu bedienen. Der Raum füllte sich wieder mit Wärme, Stöhnen, den Geräuschen der Peitschen und Paddle und ich selber driftete mit meinem Partner in eine sehr tiefe, sehr ergreifende Session, in der wir vor allem lernten, dass wir auch komplizierte Flugmanöver, kurzentschlossenes Umlenken bei Gefahr des Flugzeugabsturzes, Steilstart und Segelfliegen beherrschen. Ich belasse es an dieser Stelle metaphorisch, aber es war eine gute Erfahrung zu spüren: Wir vertrauen einander so sehr, dass wir hier ganz öffentlich miteinander in eine Edgeplay-Session gehen, wir können Unsicherheiten gemeinsam aushalten, wir können beide auch innerhalb einer Session für uns selber einstehen und uns mitteilen (das war für mich neu, dass ich auch völlig weg gespacet kurz auftauchen und mich klar artikulieren kann, was ich brauche oder wo mein Problem liegt, um dann wieder abzutauchen) und wir wollen das vor allem beide ganz aus unseren Herzen heraus, ganz aus uns selbst heraus motiviert. Ich bin - beyond words - dankbar für diese tolle Erfahrung. Kristina Marlen wird jetzt auf noch viel mehr Arten und Weisen von mir bewundert, gleichzeitig habe ich aber auch auf Augenhöhe sehen können, wie ähnlich unsere Ziele und Visionen oft sind, war dankbar als halbe Kollegin trotzdem ganz privat in diesem Kurs sein zu dürfen (und nein, das ist leider nicht selbstverständlich, dass es unter Kollegen ohne Umstände möglich ist in deren Didaktiken und Ansätze reinzuhören/ reinzuprobieren). Ich habe - und das war mir aber vorher aufgrund meiner eigenen Expertise klar - persönlich nichts Neues über BDSM Tools und Plays gelernt (sehr wohl aber Einzelheiten, wie den Einsatz der Hände als Schlagwerkzeug), aber ich habe sehr viel Neues über mich, meine Wünsche im Play mit meinem jetzigen Partner, meine Möglichkeiten und Grenzen gelernt und vor allem habe ich gelernt, dass ich im Verlauf der letzten Jahre sehr bei mir selbst und meiner Sexualität angekommen bin und sehr gut für mich einstehen und sorgen kann. Eine wertvolle Spiegelung die ich mitnehmen darf. Obwohl ich also nicht die primäre Zielgruppe dieses Workshops war, war er sehr bereichernd für mich. DANKE! An Kristina Marlen, Partner*, ihr Team, die Workshop-Teilnehmer, meinen Partner und auch an mich selbst. Mehr zu Kristina Marlen: https://www.marlen.me (Das Bild stammt auch von ihrer Homepage)
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